Briefverkehr 41

Puh, Barbara,
ich trinke gerade ein Glas Chardonnay (nein, nicht Jennys Meerschweinchen, sondern richtigen Wein) und versuche zur Ruhe zu kommen. Und das, obwohl die Unruhe eben mir sehr, sehr gut getan hat. Mein Ohr glüht immer noch von unserem Telefonat, obwohl du gar nicht viel gesagt hast, und ich bekenne freimütig: das Ohr ist nicht der einzige Körperteil, der glüht.

Dein Schweigen war ein ganz anderes als das bei Donna Rosa. Und deine Stimme, die das Schweigen hin und wieder gestört hat, die war viel leiser als in deinen Briefen.
Ja, jetzt sitze ich da und lasse unser Telefonat noch einmal Revue passieren.
Ich hab dir erzählt, dass ich vorhin einen Spaziergang gemacht hab, in ein schlimmes Gewitter geraten bin und mit völlig durchnässten Schuhen zu Hause angekommen bin, weil ich keine Gummistiefel anhatte. Du hast gefragt, ob ich dich wirklich angerufen habe, um mit dir übers Wetter zu reden. (Ich hab dich ohne jegliche Absichten angerufen, übrigens.) Dass du auch nass bist, hast du gesagt, wenn auch nicht an den Füßen.
Und dann haben wir geschwiegen. Ich, weil du mich verlegen gemacht hast, du – ja, keine Ahnung, warum du geschwiegen hast. Du scheinst manchmal einfach gern zu schweigen, ich gewöhne mich schön langsam daran.
Aber als du dann nach endlosen Minuten „Herwig ... Herwig ... Herwig“ geflüstert hast, ist mir ganz warm geworden. Ich wusste nicht, dass man meinen Namen so zärtlich säuseln kann. Mario oder Giovanni, das sicher, aber Herwig?
Hmmm. Du.
Ob es mich stört, wenn du dich streichelst, während wir schweigen, wolltest du wissen, und ich hab den Kopf geschüttelt. Aber das konntest du nicht sehen.
Dann hast du mich gebeten, dir etwas vorzulesen. „Aus der Göttlichen Komödie?“, hab ich vorgeschlagen und du hast gestammelt: „Irgendwas. Egal. Aber rede.“

Barbara, du bist die erste Frau in meinem Leben, die einen Orgasmus bekommen hat, während ich ihr aus der Niederösterreichischen Abgabenordnung aus 1977 vorgelesen habe. Tut mir leid, aber die Sammlung der Landesgesetze war das einzige Buch, das griffbereit auf dem Couchtisch lag.
Habe ich richtig gehört, dass du bei § 63 a gekommen bist? Bei dieser Passage, oder?
Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, können nach Maßgabe der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden technischen Mittel auch telegraphisch, fernschriftlich, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.
Was fandest du daran eigentlich so erotisch?

Sicher bin ich mir ja nicht. Spätestens seit der Szene, als Sally Harry im Restaurant den Orgasmus, der in die Filmgeschichte eingegangen ist, vorgespielt hat, wissen sogar die blödesten unter uns Männern, dass der Schein manchmal trügt.
Aber ich geh einfach davon aus, dass es für dich schön war. Selber schuld, wenn nicht. Ich hätte schon mehr Geduld gehabt und noch ein paar weitere Paragraphen gelesen.

Barbara, dein Stöhnen hat mich ziemlich angemacht. Du hast „Danke“ in den Hörer gehaucht, dich bei mir entschuldigt, mir gestanden, dass dir das jetzt total peinlich ist und aufgelegt. Ja, danke auch. Du musst dich nicht entschuldigen, denn es war auch für mich wunderschön, dir gut zu tun. So bin ich. Ein völlig selbstloser Altruist, würden die einen sagen. Ein Idiot, die anderen. Aber es ist mir sowieso egal, was die einen und was die anderen sagen.
Und das nächste Mal ...

Ich küsse dich. Wo auch immer es dir gut tut.

Dein Herwig

P.S. Nie wieder werde ich bei einer Sitzung völlig unbefangen aus der Abgabenordnung zitieren können, sondern dabei immer ein völlig dämliches Lächeln auf den Lippen haben. Eines, das du mir dorthin gezaubert hast.
rosmarin (Gast) - 10. Dez, 17:59

aaaaaaaaargghhhh.....

jetzt schmeisst der alles aufgebaute mit seinem hintern wieder um. dat jibbets doch nicht oder???? herwig.... hat er wirklich nicht gemerkt, dass seine geliebte ihm die hotline der hotwoman gegeben hat??? hat er wirklich gedacht, barbara kommt beim vorlesen der abgabenordnung?????
möööööööööp.... nein, das kann kein happyend geben.....

testsiegerin - 10. Dez, 20:16

komische leute gibt es.
und natürlich war das die barbara.
aber du bringst mich auf eine gute idee. ;-)

(mittlerweile bin ich der bezirskhauptmannschaft unendlich dankbar für die strafe. ich werde ihnen ein fertiges exemplar schicken, denke ich.)
Eugene Faust - 10. Dez, 19:51

Möglicherweise hat sie ja bereits mit dem allerersten Brief gezielt auf so etwas hingearbeitet. Ich sag' nur "Ein Fisch namens Wanda", aber eben mit Amtsdeutsch anstatt Russisch.

testsiegerin - 10. Dez, 20:21

puh ... du meinst, so eine ist das? so eine ... ähm ... tja ... so eine perverse?

dabei hab ich mal russisch studiert und allergrößtes verständnis.
Eugene Faust - 10. Dez, 22:21

Wenn man "Linguaphilie" als Störung der Sexualpräferenz betrachtet...
ConAlma - 10. Dez, 21:33

Ah ja, so gefällt mir das schon besser: Telefonsex ist ja eine gute Sache. Und mit seltenen Fremdsprachen noch mal so aufregend. Es sollte ja wirklich darum gehen,d ass was g e t a n wird und nicht nur geredet darüber, ob oder nicht oder schon ecc.

testsiegerin - 10. Dez, 23:30

*atmet erleichtert auf*
ja, ich find das darüber reden ja auch bei weitem nicht so reizvoll, wie das miteinander tun.
obwohl ... wie schön muss es erst sein, die abgabenordnung zu hören, während er ... *träumt*
herold - 10. Dez, 21:34

nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn er Ihnen die neufassung der nö abgabenordnung aus 2001 vorgelesen hätte.

testsiegerin - 10. Dez, 21:54

da haben wirs: niederösterreichs beamte sind hoffnungslos veraltet.

oder aber dieser paragraph ist bereits die neufassung. das gesetz wurde ja 2001 nur angepasst und novelliert, nicht aber völlig reformiert.
Lo - 10. Dez, 21:57

Das....

... muss ein Film werden.
Das WIRD ein Film!

Testsiegerin.
estsiegerin.
stsiegerin.
tsiegerin.
siegerin.
!!!!!!!!!!
!!!!!!!!!
!!!!!!!!
!!!!!!!
!!!!!!
!!!!!
!!!!
!!!
!!
!
Bist Du!

testsiegerin - 10. Dez, 22:06

wie bitte verfilmt man einen briefwechsel?
*grinst*
Lo - 10. Dez, 22:09

Ganz einfach.

Mit einem Tesa-Film.
derdickemann - 11. Dez, 14:52

Ausgerechnet eine Abgabenordnung ...

Es gibt doch Dutzende von aufregenderen Gesetzen ...

testsiegerin - 11. Dez, 19:15

welches gesetz würdest du denn bevorzugen?
derdickemann - 11. Dez, 21:01

Na ganz eindeutig was Verkehrsorientiertes ... also das Strassengesetz oder zumindestens die Strassenverkehrsordnung.

"Öffentlicher Personennahverkehr" gewinnt doch in so einem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung :)
testsiegerin - 11. Dez, 22:36

da hast du recht. das klingt wirklich wunderbar.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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