Briefverkehr 44

Lieber Herwig,

spielst du jetzt den Beleidigten? Das klingt so. Meine Güte, verstehst du keinen Spaß? Ich wollte dich nicht verarschen, ehrlich. Fast ganz ehrlich, Kleines.
Dein Brief hat mich leider kein bisschen angeturnt. Ich interessiere mich nämlich nicht für Züge. Weder verläuft mein Leben wie auf Schienen noch möchte ich ständig irgendwelche Weichen stellen. Magst du meine weichen Stellen?
Ich hänge deine Briefe gar nicht ans schwarze Brett. Ich lese sie nur ein paar Freunden vor. Und diese Freunde geben mir gute Ratschläge. Manchmal sind auch schlechte dabei, aber ich werfe die guten ins Kröpfchen und die schlechten ins Töpfchen, oder so. Bei den männlichen Freunden gibt es welche, die dich nicht ausstehen können und für einen vorwärtseinparkenden Beckenrandschwimmer halten. Ich glaube, die sind nur eifersüchtig, ich weiß ja mittlerweile, dass du sogar seitlich einparken kannst. Es gibt aber auch Männer, die Mitleid mit dir haben. Brauchst du wirklich Mitleid?
Die meisten Frauen finden dich nett. Nein, nicht nett, natürlich, sondern interessant. Spannend. Aufregend. Ich gehöre auch zu den meisten Frauen.

Aber es ärgert mich, dass es in deinem Schreiben nur um Sex geht. Verkehr, Verkehr, Verkehr. Ist das alles, woran du denkst? Alles, was ich für dich bin? Ein billiges Sexobjekt? Du bist mit keinem Wort auf meine Liebeserklärung eingegangen, zum Beispiel, dabei wäre das viel wichtiger als gierige Leiber, die sich paaren. Es ist mir ohnehin schwer genug gefallen, dir zu sagen, dass ich dich lieb gewonnen hab.
Sag mal ehrlich: Nerv ich dich schon?
Herwig, ich will dich wieder sehen. Ich weiß ja, dass du abends im Moment keine Zeit hast, wegen Jenny. Aber was hältst du davon, wenn wir am Montagnachmittag auf einen Kaffee gehen, während Jenny jazztanzt?

Scheiße, ich hab mich schon wieder verliebt. Diesmal in dich.

Deine Barbara
Andrea (Gast) - 15. Dez, 21:55

Schweigen

Ich sag nix - ich sag NIX... ich werde nix sagen... Nein.
Nichts.
Gar nichts.
Ich würd schon, aber ich sag nix.
Nee...
Gruß
Andrea

testsiegerin - 16. Dez, 00:10

gar nix?
du glaubst also auch, ich nerve ihn schon, nicht wahr?
Andrea (Gast) - 16. Dez, 00:43

nicht wirklich - nur anders.
Andrea (Gast) - 16. Dez, 01:03

okay....ich mach gez den Schweinetransporter.
Schalt mal ein Schwein zurück.
Oh..... willste nicht.
Versteh ich.
Ich frag mich, ob es wirklich ist wie du sagst/schreibst.
Bist Du verliebt?
LG
Andrea im Ungewissen (Nirvana schreibt sich so schlecht)
steppenhund (Gast) - 16. Dez, 12:03

an Herwigs Stelle ...

versuche ich mich einmal zu versetzen.
Dass Du ihm vorwirfst, dass es ihm nur um Verkehr geht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Arbeitet er nicht "im Verkehrsamt", bzw. ist er nicht vorrangig mit Verkehr beschäftigt? :)
Doch ich habe ein ernsthaftes anderes Bedenken. Wenn man mit jemanden spricht, ist es leichter möglich, zwischen Ironie und Ernst hin- und her zu wechseln. Man kann die Körpersprache ausloten und selbst der Sprechende kann erkennen, in welcher Phase sich der Zuhörende gerade befindet.
Im Briefverkehr ist der stetige Wechsel, oft innerhalb eines Satzes eine gefährliche Angelegenheit. Er legt den Gedanken nahe, dass mit den Gefühlen gespielt wird. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte. Aber der Mensch hat einmal eine gewisse geistige Trägheit. Ohne unterstützende Massnahmen hängt der Ernst des vergangenen Satzes in den laufenden Scherz hinein und der Scherz von jetzt relativiert die Tiefe der nachfolgenden Aussage.
Herwig weiß zwar schon, dass Du eine komplizierte Frau ist, die das eine will, dann das andere sagt und sich dann nach einer dritten Richtlinie verhält, aber es gibt nichts, woran er sich festhalten kann. Etwas, was ihm ermöglicht, die anderen Verhaltensweisen spielerisch und genießerisch zu empfinden.
Du hast ihm zwar geschrieben, dass Du in ihn verliebt bist und ihn magst. Doch der Umfang dieser Aussagen und die Stellenwertigkeit, sprich die Menge, ist lange nicht so groß, dass er gegen das scherzhafte Geplänkel bestehen kann.
Wenn Du ihm schreibst, dass Du seine Briefe anderen vorliest, wird er überhaupt jeden intimen Charakter der Briefe selbst nachträglich noch leugnen.
Wenn es um Liebe oder Verliebtsein geht, erwarte ich nicht, dass meine Briefe einer Analyse von dritten Personen unterzogen werden. Allenfalls mag noch die beste Freundin herhalten, doch eine Menge von Freundinnen und Freunden postiert den Schreiber in eine Rolle, die nie einer Brief oder Email-Verbindung zugedacht ist.
Dann wäre es viel sinnvoller, ihr einigt euch auf einen Blogverkehr. Richtet ein gemeinsames Blog ein, in das jeder hineinschreibt. Dann ist es klar, dass viele mitlesen.
Manche machen das ja auch. Ich weiß nicht, ob Herwig der Typ dafür ist.
Mit dem Hinweis, dass Du seine Briefe zeigst, verletzt Du seine Privatsphäre.
Die Frage ist also nicht, ob Du ihn nervst. Sondern, ob er sich auf dich überhaupt einlassen darf, ohne dass er sich irgendwann wie ein Anhängsel, der Mann von Nicole Kidman oder von Julia roberts oder von sonst einer Prominenten fühlenmuss. Alles was er dir zudenkt, gerät an das Licht der Öffentlichkeit.
Ja, ich bezweifle, dass Du Herwig mögen würdest, wäre er so ein Typ.

testsiegerin - 16. Dez, 12:17

du hast recht. ich habe ein schlechtes gewissen.
vielleicht sollte ich die briefe zwischen ihm und mir tatsächlich nicht mehr veröffentlichen.
hm ...
*nachdenkliche grüße*

und das mit dem blog, ich weiß nicht, ob das eine gute idee ist. ich weiß ja noch nicht mal, ob herwig überhaupt einen computer hat. ich hab nur seine telefonnummer, aber keine mailadresse von ihm.
steppenhund - 16. Dez, 12:38

es geht nicht um das Veröffentlichen im Blog, - das ist Metaebene. Doch wenn Du ihm schreibst, dass Du sie herzeigst, dass halte ich für schwierig ihm gegenüber.
testsiegerin - 16. Dez, 12:44

gut. danke für den tipp.
katiza - 16. Dez, 13:43

Wenn ich aus meiner Lebensrfahrung etwas anmerken darf: Die meisten Männer mögen es nicht, wenn man sie "Kleines" nennt und wenn das schon in Zeile 3 eines Briefes geschieht, nehmen sie wahrscheinlich den Rest des Textes gar nicht mehr so wahr. Mein ich nur.

testsiegerin - 16. Dez, 14:32

scheiße. jetzt ist er schon abgeschickt. ich mach offensichtlich grad alles falsch.
Andrea (Gast) - 16. Dez, 22:23

Herwig

Hallo...
ich hab heute mit meinem Beamten darüber gesprochen... also mein Beamter ist der Klaus.
Den kenne ich schon sehr viele Jahre, aber eigentlich kenne ich ihn gar nicht.
Denn wir schreiben uns Emails, haben eine Menge Spaß zusammen, denn wir versuchen uns schonmal im Dichten, aber persönliche Wörter tauschen wir nicht aus.
Als ich erklärt hatte, dass ich das eigentlich schön finde mit Barbara und Herwig und Herwig und Barbara, da war sein erster Email-Satz: Das tust Du doch nicht evtl. mit mir auch? Es veröffentlichen?

Nein - tu ich nicht - zumal wir ja vollkommen uninteressante Gespräche führen...

Aber allein der Gedanke hat ihn entsetzt.

Ich habe ihn gefragt, ob er mir deswegen - also wenn ich es getan hätte - böse wäre und er bejahte das.

Er wäre mir sogar sehr böse, unsicher und sehr verletzt.

Darüber hatte ich mir nie Gedanken gemacht - vielleicht, weil ich so ganz anders bin...

Über mich denke ich, könnte jeder alles was ich schreibe/sage/denke auch an alle anderen Menschen weitergeben, denn ich stehe dazu.

Ob nun Trauer, Boshaftigkeit, Flirt, Sex, Geplänkel, Dummes, Schlaues, Unsinniges, Rechtes oder Unrechtes.

Ich denke sogar manchmal von vornherein, wie Dinge, die ich zum Besten gebe, z. B. auch meine Mama oder meine Tochter wissen sollten oder lieber nicht.

Nur: Bei mir z. B. geht es nicht anders, ich sag/schreib, auch wenn über mir Teer ausgeschüttet würde.

Aber Klaus täte es nicht.

Lieben Gruß
Andrea

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"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

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