Raphael ist weg

Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Ich habe überall nach ihm gesucht. Das war ja nicht so schwer im Haus und im Garten, so ein Elefant im Garten – auch wenn er noch klein ist - verhält sich ja nicht wie die Nadel im Heuhaufen, die sich überhaupt nicht verhält, sondern nur stumm und stichig da rumliegt.

Erst hab ich mir keine großen Sorgen gemacht, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin, ihn gerufen hab und er sich nicht gerührt hat. Ich dachte erst, er ist auf eigene Faust eine Runde spazieren gegangen. Jedes Lebewesen braucht schließlich seine Freiheit. Als ich also gestern nach Hause gekommen bin, war überhaupt keiner da. Der Mann hat gearbeitet, die Tochter schmachtet grad in Kopenhagen einen Dänen an und mein Sohn war mit dem Traktor auf dem Feld. Ich hab ihn sofort angerufen, ob Raphael ihn vielleicht begleitet hat, Ferdi, der alte Traktor, fährt ja nicht schneller als so ein kleiner Elefant läuft. Fehlanzeige.

Ich bin durchs Dorf und über die Felder gelaufen und hab nach ihm gerufen: „Raphael! Raphael!“ Eine Spaziergängerin hat gemeint: „Der jagt bestimmt Hasen.“ Die Leute sind so bescheuert. Als würde ein Elefant nichts Besseres zu tun haben als Hasen zu jagen.

Ich bin verzweifelt. Ich kann doch nicht eine Vermisstenanzeige aufgeben, weil etwas weg ist, das zu halten mir behördlich verboten wurde. Das wäre so, als würde ich eine Vermisstenanzeige für einen gestohlenen Ferrari aufgeben. Obwohl Raphael natürlich nicht gestohlen wurde. Ich muss gestehen, ich habe mit meinen Mann immer noch nicht darüber gesprochen, warum er einen Elefanten bestellt hat. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich auf meine Frage keine zufriedenstellende Antwort bekommen würde. Vermutlich würde er sagen: „Jetzt fängst du schon wieder damit an! Iss doch etwas“, und mir die dampfende Rindsuppe hinstellen.

Eine Vermisstenanzeige kommt also nicht in Frage. Außerdem würde einer der beiden Polizisten fragen, seit wann Raphael verschwunden ist und mir dann geduldig erklären, dass er eine Vermisstenanzeige erst nach 48 Stunden Abwesenheit entgegennehmen könne. „Das gilt doch nur bei Erwachsenen“, würde ich aufgebracht antworten, „Raphael ist ja noch ein Elefantenkind!“ Sie würden einander wissend zunicken und glauben, Raphael wäre ein Plüschelefant. Sie würden meinen Arm tätscheln und sagen: „Den finden Sie bestimmt wieder. Vielleicht hat er einen kleinen Ausflug ins Spielwarengeschäft gemacht und ein bisschen mit den anderen Stofftieren spielen!“ Dann würden sie mich nach Hause schicken.
Ich würde mich aber weigern zu gehen und zu toben beginnen, weil ich mich nicht ernstgenommen fühlen würde und sie würden den Amtsarzt anrufen und der würde die Rettung rufen und die würden mich in die Sozialpsychiatrische Abteilung bringen. Der Amtsarzt würde sagen: „Oh, die Frau Lehner“, und anzüglich grinsen, weil ich letztens sein Gutachten und seinen Sachverstand angezweifelt habe. Selbstverständlich würde er das anzügliche Grinsen unter einer Maske aus aufgesetztem Mitgefühl verbergen und sagen: „Das kann jedem passieren, so eine psychische Erkrankung. Im besten Fall handelt es sich nur um ein stressbedingtes psychotisches Übergangssyndrom.“ Dann würde er noch fragen „Hören Sie auch Stimmen?“ und ich würde wahrheitsgemäß mit „Ja, Ihre. Die ist kratzig und unangenehm und redet Mist“ antworten.

In der sozialpsychiatrischen Abteilung würden sie ganz lieb zu mir sein, also vielleicht mit Ausnahme der Ärztin, der ich letztens Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit unterstellt habe und vielleicht mit Ausnahme des psychiatrischen Pflegers, den ich gefragt habe: „Na, fühlt es sich geil an, so viel Macht zu haben und die Präpotenz an den Klienten auszulassen?“
Wenigstens die Patienten würden sich bestimmt freuen, mich öfter als einmal im Monat zu sehen, aber sie würden ständig Geld von mir wollen. Sie wollen immer Geld von mir.
Eine Vermisstenanzeige kommt daher nicht in Frage, klar. Ebenso gut könnte ich mir von meinem Nachbarn einen Hammer ausleihen.

Ich glaube, man hat Raphael entführt. Vielleicht kommt ja ein Erpresserbrief. Aber was könnten Erpresser von uns wollen? Die alte Kaffeemaschine, die vergoldete Kette meiner Mutter oder den dreibeinigen Kater?
Vielleicht hat die Behörde ihn einfach abgeholt und in den Zoo oder in einen Zirkus verfrachtet. Morgen werde ich nach Schönbrunn fahren. Und danach alle Zirkusse/Zirken/Zirka abklappern, die in der Gegend ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Bitte helfen Sie mir. Ich brauche Raphael. Zweckdienliche Hinweise, die dem Zweck dienen, Raphael wieder zu finden, bitte an mich.
Danke.
steppenhund - 15. Aug, 15:25

Ich verstehe den Satz nicht: "Obwohl Herwig natürlichen nicht gestohlen wurde." Oder handelt es sich um einen Freud'schen Verschreiber?

testsiegerin - 15. Aug, 15:26

oh gott. danke fürs aufmerksammachen. raphael... herwig... sie gehören irgendwie zusammen.
HARFIM - 15. Aug, 17:44

er sucht seine echte Mutter,

vielleicht ist sie ja im Zirkus gefangen, und dort reißt ihr der Dompteur jeden Tag bei der Probe oben das Ohr blutig, der hat einen Stock mit einem Widerhaken dran, der Schuft. Sonst hat sie im Zelt eine Eisenkette um den Fuß - Raphael möchte sie befreien?
Sie könnten sich eine Trompete besorgen und vielleicht den Ton finden, der ihn an die Mutter erinnert...

testsiegerin - 15. Aug, 18:12

bitte malen sie nicht so schwarz.
der elefantenrückführungsspezialist hat uns ja erzählt, dass raphaels herde inklusive seiner bauchmama von elfenbeinjägern erschossen wurde.
ich weiß aber nicht, was besser ist. vielleicht ist ja auch alles ganz anders.
entführerin (Gast) - 16. Aug, 09:59

ganz anonymes bekennerschreiben

wir, die xhab, geben hiermit zu, raphael in unsere gewalt gebracht zu haben. wir haben versucht ihn, mit der tagespresse auf unserem balkon zu fotografieren, aber das ging nicht, da er sie sofort gefressen hat, und wir generell erkannt haben, dass die tagespresse ja sowieso nicht ernst zu nehmen ist.

machen sie sich keine sorgen, wir sind zu einem geiselaustausch mit denen, denen dänen den den* dehnen, bereit. sollten sie die neue geisel nicht umgehend herschicken können, behandeln wir raphael weiterhin so gut wie möglich.

er lässt ihnen ausrichten, dass sich nicht nur pferde am balkon sau- pudel oder eben elefantenwohl fühlen, er jetzt mehr morgensonne hat, sowie noch nicht mit dem fressen aller kräuter fertig ist!

sorry, geht nur mit tschechisch.

Jossele - 18. Aug, 20:13

Der Stil des Verbrechens deutet auf die fernöstliche Plüschtiermaffia hin. Seit die Plüsch als Aphrotisiakum verkaufen ist kein Tier mehr sicher (Wir sperren unsere Schlafzimmertiere tagsüber in den Safe).
Ich drück die Daumen dass es Raphael gut geht und das Ganze einen glücklichen Ausgang findet.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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