Gretchenfrage

Wie ich es mit der Religion halte, hat la mamma andernorts gefragt. und weil meine Gedanken- und Erinnerungskette zu lang für einen Kommentar ist, fädle ich hier selbst. Ein paar bunt schillernde Glaskugeln fädle ich, ein paar echte Flussperlen und viele Glieder eines Rosenkranzes.

Das erste Mal den Eindruck, dass da etwas nicht stimmt, den hatte ich, als ich mich eines Sonntagsmorgens in der Kirche in den Betrachtungen des Kristallleuchters verlor und dafür nicht nur von meiner Oma, sondern auch von vielen anderen alten Kirchgängern ausgeschimpft wurde. Was ist schlimm daran, während der Messe nicht geradeaus auf den Pfarrer sondern hinaufzuschauen, dort wo angeblich Gott wohnt?

Später dann war ich bei den sozialistischen Kinderfreunden und bei der KAJ, der Katholischen Arbeiterjugend. Bei den Kinderfreunden war es lustig, bei der KAJ haben wir hauptsächlich gebastelt. Aber ein Highlight war die jährliche Ferienwoche in der Steiermark. Der Herr Kaplan war intelligent, jung und attraktiv, die Diskussionen waren spannend und die Mutprobe in der Gruselnacht aufregend. Tagsüber lagen die älteren Mädels neben dem Kaplan barbusig in der Sonne. (Ich war damals leider noch bar jeglichen Busens)
Der Kaplan wurde versetzt, und das, obwohl er es mit der christlichen Gemeinschaft sehr ernst nahm. Wieder dachte ich mir, dass da etwas nicht stimmt.

Ich war jung, ich war ahnungslos und ich war ein Mädchen vom Land, das wegen des Studiums in die große Stadt ging. Weil die beste Freundin in einem Studentinnenheim des Opus Dei wohnte, zog ich auch dort ein. Tagsüber studierte ich Russisch und das Leben und fickte mit jungen Männern in Che-Shirts, abends betete ich gemeinsam mit Jusstudentinnen aus gutem Hause dornenreiche Rosenkränze. Eines Tages lag ein Büchlein auf meinem Bett: „Denn heilig ist euer Leib.“ Mein Leib war mir immer heilig, da musste mich niemand bekehren.
Nach einem knappen Jahr schmiss man mich aus der Kalmann-Villa.

Noch immer las ich „Die Wende“, eine katholische Jugendzeitschrift und wartete auf eine ebensolche. Sie kam nicht. Ich ging in die Mensa der Katholischen Hochschulgemeinde (das Essen dort war gut und billig und die Mensa viel gemütlicher als diese riesige im Universitätsgebäude) ich diskutierte mit angehenden Theologen.
Sie alle wollten mich immer nur missionieren, zu meinem Besten. Sie sind überzeugt davon, dass ich auf dem falschen Weg bin und den richtigen erst finden werde. Sie würden mir gerne dabei helfen. Ich aber bin allergisch aufs Geholfenwerden, ohne dass ich um Hilfe bitte.

Ich habe keine Probleme mit Esoterikern, Veganern und Katholen, sie sollen ihr Ding leben, sie sollen wahlweise Feng-Shui-Kristalle, ihren Vollwerthirsebrei oder einen halbnackten, toten Mann am Kreuz anbeten, das ist wirklich ihre Sache. Aber sie sollen bitte nicht die Nase rümpfen, wenn mein Sofa in der faschen Ecke steht, ich ein Lammkotelett mit Rosmarin und Speckbohnen esse und leise darüber schmunzle, dass sie allen Ernstes glauben, Gottes Leib käme in Gestalt von geschmacksneutralen Oblaten daher.

Trotz allem verfolgte ich alles, was in der katholischen Kirche passierte, mit großem Interesse. Die Plattform „Wir sind Kirche“, die Gleichberechtigung und Mitbestimmung forderte, wurde von den Mächtigen niedergeprügelt und gab auf. Zumindest hört man heute kaum noch von denen.

Das – und ganz sicher nicht der Kirchenbeitrag war der Grund, weshalb ich aus diesem (für mich machtgeilen, verlogenen Haufen) austrat. Lange bevor ich der SPÖ beitrat (auch die ist manchmal ein machtgeiler, verlogener Haufen, aber deren Ideologie ist mir näher).

Meine Kinder sind „arme Heidenkinder“. Wenn man das überhaupt so sagen kann, denn mein Sohn wurde von meiner Oma heimlich mit Wasser aus Lourdes notgetauft.

Als ich Jahre später mit meinen Kindern in der Kirche war, damit sie so ein exotisches Bauwerk auch einmal von innen sehen, und weil man nur ablehnen kann, was man auch kennt, fanden sie das schön und sind zwischen den Bankreihen hin- und hergelaufen und haben sich sogar hingekniet. Sofort zischte ein mehrstimmiges „Pschschscht“ durch das Gotteshaus, das man mit „Schleichts euch“ übersetzen hätten können.
Lasset die Kinder zu mir kommen, hat Jesus angeblich gesagt, von grantiggiftigalten Weibern war glaub ich nicht die Rede.

Meiner Tochter wird in der Kirche immer schlecht, vom intensiven Weihrauchgeruch. Ich glaube, es liegt nicht nur an der minderen Qualität des Weihrauchs. „Dass es diesen Jesus mal gab, das kann schon sein“, sagte sie gestern, „aber das mit der Auferstehung haben sie sich nur ausgedacht, weil sie sich nicht damit abfinden konnten, dass der Kerl tot ist.“
Sternenstaub - 24. Mär, 13:10

eine sehr intelligente Person, eine Tochter - fiel mir schon am 14. auf ;))))

vermutlich DIESE TATSACHE und die, dass gerade ne Sonnenfinsternis stattfand, als er starb !!!

nicht falsch verstehn, ich glaube diese ganze Gottgeschichte einfach (hab meine persönliche Gotteserfahrung schon hinter mir ;))) - aber deshalb kann ich sie trotzdem kritisch betrachten UND deshalb hier noch schnell ein kleines Witzchen:

http://sternenstaub.twoday.net/stories/4243789/main

walküre - 25. Mär, 18:07

Der Witz

ist doppelbödig - sowas mag ich. :-)
testsiegerin - 26. Mär, 18:38

Das weiß ich schon lange, dass sie genial ist ;-)

Den Witz mochte ich auch.
la-mamma - 24. Mär, 13:47

ich hab mittlerweile auch

ein heidenkind. so drückt sich die großmutter nachdem sie irgendwie seit ein paar jahren auch in der katholischen kirche angekommen ist, gerne aus;-)
ansonsten halt ich´s wie du: es IST interessant, was die kirche tut und sagt, das verfolge ich auch, nur glauben kann/will ich deren "gedankenkonstrukte" halt nicht.

testsiegerin - 26. Mär, 18:38

Das Problem ist halt, dass die sich selbst so ernst nehmen. Und dass sie - zumindest in Österreich - immer noch so viel Macht haben.
Verde - 24. Mär, 18:29

mir sind all diese Trachtenvereine, die hauptsächlich nur aus Männern bestehen, von Haus aus suspekt.
Daß bei den Katholikern nur Männer zu Priestern geweiht werden können und diese dann keine Frauen lieben dürfen, ist einfach nur bescheuert.

testsiegerin - 26. Mär, 18:39

Und dass diese weib- und kindslosen Kerle dann auch noch gute Ratschläge zur Kindererziehung geben, das ist die Höhe.
walküre - 25. Mär, 18:04

Was soll

frau auch von einer Amtskirche erwarten, in der lauter weltfremde alte Männer das Sagen haben ?

Meine Erinnerungen gestalten sich in der Richtung, dass Nicht-Kirchgänger fast schon Outlaws waren, dass Bösartigkeit im Alltag kein Hinderungsgrund für einen beinahe vergeistigten Ausdruck beim Kirchenbesuch ist und dass auch Priester nur Menschen sind, die sich nicht dauerhaft selbst zu verleugnen vermögen. Meinen vor nunmehr vor über 25 Jahren stattgefunden habenden Kirchenaustritt habe ich noch keine einzige Minute lang bereut und meine Tochter hat als ungetauftes Ebenfalls-Heidenkind eine reelle Chance, sich religiösen Belangen unverkrampft und zwanglos zu nähern.

Kirchen besuche ich allerdings gerne, weil sie eine spezielle Atmosphäre haben. Aber nur, wenn gerade keine Messe stattfindet.

testsiegerin - 26. Mär, 18:40

Manchmal glaube ich ja, dass dass Bösartigkeit im Alltag nicht nur kein Hinderungsgrund für einen beinahe vergeistigten Ausdruck beim Kirchenbesuch ist, sondern Grundbedingung.
Köppnick - 26. Mär, 09:58

Zu dem Ding mit der Auferstehung habe ich mal eine interessante psychologische Deutung gelesen: Seine Jünger waren ja alle abgehauen, als Jesus gekreuzigt wurde, um nicht selbst dran glauben zu müssen. Um diese Schuld vor ihrem eigenen Gewissen kleiner zu kriegen, haben sie später die Geschichte mit der Auferstehung erfunden. Diese Story wird außerdem immer blumiger, je weiter die Chronisten vom tatsächlichen Ereignis entfernt waren.

Meine Privatdeutung ist übrigens noch viel einfacher: Je näher man an den Äquator kommt, desto senkrechter scheint einem die Sonne auf den Kopf. Das ist gar nicht gut für die Gesundheit, wenn man keine Mütze auf hat. Jedenfalls habe ich noch nie von einem Eskimo gehört, der in religiöser Verzückung total ausgeflippt ist.

testsiegerin - 26. Mär, 18:42

Das ist auch eine schöne Erklärung, dass die Story mit der Zeit immer blumiger wird. Mal sehen, was noch daraus wird.
Köppnick - 26. Mär, 19:05

Dazu müsste die Kirche weitere und jüngere Evangelien zulassen, es gibt ja eine ganze Menge mehr als die in der Bibel offizialisierten. Oder aber, es müssen Kopierfehler eingebaut werden. Elektronisch geht das kaum, ich empfehle Steintafeln. Dazu passt mein zweiter Absatz von oben: Man nehme einen Mann, seinen Sohn, ein Messer, viel Sonne von oben und schicke ihn auf einen Berg. Nach ein paar Tagen kommt er den Berg wieder runtergestolpert, das Messer blutig und statt seines Sohnes schleppt er ein paar Steintafeln. Dann können wieder 2000 Jahre neue Märchen erzählt werden. Puh, was bin ich heute wieder garstig.
feinstrick - 26. Mär, 23:05

Ich kenne diesen Verein in- und auswändig - allerdings nicht den Männerlosen, sondern die protestantische Variante. Doch ich kann Ihnen versichern, dass sie keinen Deut besser ist, im Gegenteil. Und ich finde auch überhaupt nicht spannend, was dort so passiert, sondern es widert mich einfach nur noch an. Zu viele Leben sind im Namen der Christlichkeit ruiniert worden. Zu viele Menschen haben ihr Leben lang unter den Machtfantasien einzelner gelitten und leiden immer noch. Ich wünsche mir heute manchmal, ich hätte früher so aufmüpfig sein können wie Sie und wäre dafür auch mal irgendwo rausgeflogen. Das wäre sicher gesünder gewesen. So aber musste ich mich in einem quälend langsamen Prozess freistrampeln. Der letzte Schritt - der formale Austritt - fehlt noch. Erst wenn er vollzogen ist, fühle ich mich wohl wirklich befreit.

P.S: Ich bin übrigens dennoch ein sehr spiritueller Mensch. Viel mehr, als ich es innerhalb der Kirchenmauern jemals sein konnte und durfte.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

Web Counter-Modul


Briefverkehr mit einem Beamten
Erlebtes
Femmes frontales
Forschertagebuch
Gedanken
Gedichte
Geschichten
Glosse
In dreißig Tagen um die Welt
Kurzprosa
Lesungen
Menschen
Sex and the Country
Toll3ste Weiber
Vita
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren

kostenloser Counter