Mein 1968
Das Jahr 1968 feiert gerade seinen 40. Geburtstag. Sehr heftig feiert es und in den Zeitungen entkommt man seiner Party nicht.
Anlass für mich, meine Erinnerung in die Vergangenheit reisen zu lassen und mein ganz persönliches 1968 Revue passieren zu lassen.
Es war ein Jahr der Revolution fü rmich, denn das, was man gemeinhin „Ernst des Lebens“ nannte, begann. Die Schule. Ich war erst fünf, aber ich brannte darauf, endlich lesen, rechnen und schreiben zu lernen. Fürs Brav- und Tüchtigsein gab es Sternderl, und ich tat so ziemlich alles für ein Sternderl, sogar extra Zierzeilen unter die Hausaufgabe malen.
Ein bisschen überschattet wurden die Sternderl von den schwarzen Punkten, die man fürs Frech- und Schlampigsein bekam. Schwarze Pädagogik halt.
Es war eine Zeit des Aufbruchs. Mein Bruder und ich brachen in der Früh in die Schule auf, mein Papa in die Gummifabrik und meine Mama mit meiner kleinen Schwester in den Konsum.
1968 war auch in anderer Hinsicht ein revolutionäres Jahr für mich, denn ich war zum ersten Mal verliebt. Hätte ich damals gewusst, welche emotionalen Achterbahnfahrten ich mir damit einhandle, vielleicht hätte ich verhindern können, dass ich auch für den Rest des Lebens in irgendwen oder irgendetwas verliebt sein sollte. Wahrscheinlich hätte ich es trotzdem nicht verhindert.
Meine erste große Liebe hieß Waltraud und war meine Lehrerin. Manchmal durfte ich ihr die Hefte nach Hause tragen. Meine zweite große Liebe hieß Dieter, war blond und ich trug ihm die Schultasche. Zum Glück wohnte er direkt gegenüber der Schule. Für ihn schrieb ich mein erstes Gedicht. Der Beginn einer wunderbaren Karriere.
Fernseher hatten wir noch keinen, der kam erst ein Jahr später und das erste, was ich darin sah, war der Start von Apollo 14.
Ich hab zwar in der Schule viele neue Wörter gelernt, doch ich kannte weder The Who noch das Wort Flower Power. Flower Power hatte mit dem geblümten Kleid meiner Mama in etwa so viel zu tun wie Jimi Hendrix mit Caterina Valente.
Eine Straßenschlacht gab es bei uns nur, wenn sich zwei Autos auf der Bundesstraße ineinander verkeilten. Öffentliches Gruppenkuscheln vor der Semperit war unvorstellbar. Die Droge unserer Eltern war der Alkohol, unsere Drogen hießen Tutti frutti und Bensdorp. Einen Schilling kostete so eine Tafel Schokolade. Die Schleifen der Schokoriegel sammelten wir, denn für gefühlte tausend Schleifen gab es eine Packung Bensdorp gratis.
Auch von Love and Peace war weit und breit nichts zu erkennen. Wenn wir Kinder stritten oder rauften, wurden wir – ohne vorherige Gerichtsverhandlung, wer der/die Schuldige war – alle der Reihe nach übers Knie gelegt. Danach mussten wir am Fenster knien, bis wir uns entschuldigten. Ich kniete oft sehr lang, weil ich fand, dass man sich nicht für etwas, woran man nicht schuld war, entschuldigen konnte.
Das richtige 1968, also das mit den Rolling Stones, mit Afrolook und Räucherstäbchen und Tigerbalsam, das hat sich bei uns auf dem Land um etwa zehn Jahre verspätet. Es konnte ja auch nicht überall gleichzeitig sein.
Wie war euer ganz persönliches 1968?
Anlass für mich, meine Erinnerung in die Vergangenheit reisen zu lassen und mein ganz persönliches 1968 Revue passieren zu lassen.
Es war ein Jahr der Revolution fü rmich, denn das, was man gemeinhin „Ernst des Lebens“ nannte, begann. Die Schule. Ich war erst fünf, aber ich brannte darauf, endlich lesen, rechnen und schreiben zu lernen. Fürs Brav- und Tüchtigsein gab es Sternderl, und ich tat so ziemlich alles für ein Sternderl, sogar extra Zierzeilen unter die Hausaufgabe malen.
Ein bisschen überschattet wurden die Sternderl von den schwarzen Punkten, die man fürs Frech- und Schlampigsein bekam. Schwarze Pädagogik halt.
Es war eine Zeit des Aufbruchs. Mein Bruder und ich brachen in der Früh in die Schule auf, mein Papa in die Gummifabrik und meine Mama mit meiner kleinen Schwester in den Konsum.
1968 war auch in anderer Hinsicht ein revolutionäres Jahr für mich, denn ich war zum ersten Mal verliebt. Hätte ich damals gewusst, welche emotionalen Achterbahnfahrten ich mir damit einhandle, vielleicht hätte ich verhindern können, dass ich auch für den Rest des Lebens in irgendwen oder irgendetwas verliebt sein sollte. Wahrscheinlich hätte ich es trotzdem nicht verhindert.
Meine erste große Liebe hieß Waltraud und war meine Lehrerin. Manchmal durfte ich ihr die Hefte nach Hause tragen. Meine zweite große Liebe hieß Dieter, war blond und ich trug ihm die Schultasche. Zum Glück wohnte er direkt gegenüber der Schule. Für ihn schrieb ich mein erstes Gedicht. Der Beginn einer wunderbaren Karriere.
Fernseher hatten wir noch keinen, der kam erst ein Jahr später und das erste, was ich darin sah, war der Start von Apollo 14.
Ich hab zwar in der Schule viele neue Wörter gelernt, doch ich kannte weder The Who noch das Wort Flower Power. Flower Power hatte mit dem geblümten Kleid meiner Mama in etwa so viel zu tun wie Jimi Hendrix mit Caterina Valente.
Eine Straßenschlacht gab es bei uns nur, wenn sich zwei Autos auf der Bundesstraße ineinander verkeilten. Öffentliches Gruppenkuscheln vor der Semperit war unvorstellbar. Die Droge unserer Eltern war der Alkohol, unsere Drogen hießen Tutti frutti und Bensdorp. Einen Schilling kostete so eine Tafel Schokolade. Die Schleifen der Schokoriegel sammelten wir, denn für gefühlte tausend Schleifen gab es eine Packung Bensdorp gratis.
Auch von Love and Peace war weit und breit nichts zu erkennen. Wenn wir Kinder stritten oder rauften, wurden wir – ohne vorherige Gerichtsverhandlung, wer der/die Schuldige war – alle der Reihe nach übers Knie gelegt. Danach mussten wir am Fenster knien, bis wir uns entschuldigten. Ich kniete oft sehr lang, weil ich fand, dass man sich nicht für etwas, woran man nicht schuld war, entschuldigen konnte.
Das richtige 1968, also das mit den Rolling Stones, mit Afrolook und Räucherstäbchen und Tigerbalsam, das hat sich bei uns auf dem Land um etwa zehn Jahre verspätet. Es konnte ja auch nicht überall gleichzeitig sein.
Wie war euer ganz persönliches 1968?
testsiegerin - 6. Apr, 11:09
mein persönliches 1968