Vom Leben und seinem Umgang mit Gerechtigkeit

Da fühlt man sich vom Leben ungerecht behandelt, weil das Auto nach nur 80.000 Kilometern nur noch ächzt und nicht mehr fährt, und weil man sich kein neues leisten kann, da grübelt man, ob die Rechnungen bezahlt sind, hofft, dass die Kollegin nicht so bald aus dem Urlaub zurückkommt, ärgert sich über die Maus, die die Katze mitten in der Nacht ins Schlafzimmer bringt und dafür gelobt werden will, hofft, dass das Kind die Nachprüfung schafft und darauf, dass das Leben es wieder gut mit einem meint.

Und dann sitzt einem im Wohnzimmer eine junge Frau aus Deutschland gegenüber, surft im Internet und überlegt sich, welche Cocktails sie zu ihrer Geburtstagsparty anbieten wird und ob sie nur wirkliche Freunde oder auch Bekannte einladen soll. Und ob sie die Sonja einlädt, obwohl die sich nicht mit der Jenny versteht, weil die ihr den Freund weggeschnappt hat. Sie wird 18, genauso alt wie die eigene Tochter. Eine ganz normale 18-jährige, verliebt, freundlich, aufmerksam. Sie freut sich an den Klamotten, die sie heute gekauft hat. Eine liebenswerte junge Frau einfach.
Nach dem Essen wirft sie eine Tablette ein, steckt ihr Inhalationsgerät und inhaliert.
„Was hast du?“
„Jo mei“, sagt sie mit ihrem niedlichen bayrischen Akzent.
Eine Stoffwechselerkrankung, seit ihrer Geburt. Sie versorgt mich mit Informationen über die Krankheit und ihr Leben damit. Ein paar Freunde, die sie aus der Klinik kennt, sind schon gestorben. Im Schnitt werden Menschen mit ihrer Krankheit 30 bis 35 Jahre alt. „Leute, die jetzt so alt sind wie ich, vielleicht schon vierzig.“ Sie sagt es im selben Tonfall, in dem sie über das Buffet für die Geburtstagsparty erzählt.
Ich krieg eine Gänsehaut. „Scheiße“, presse ich hervorund fühle mich plötzlich sehr hilflos.
„Jo mei“, sagt sie, „ich habe keine Angst vor dem Tod.“
Ich schon, denke ich. Und noch mehr Angst hätte ich, dass unsere Kinder sterben.
Ihr Freund unterbricht unsere Unterhaltung, küsst sie auf den Mund und sie besprechen die Einkaufsliste fürs Fest. Bier oder Wein? Brot oder Brezel? Weißwurst oder kalten Braten? Tequila oder Cachaca? Oder Tequila UND Cachaca?

„Eure Sorgen möchte ich haben“, lächle ich und beiße mir im selben Moment auf die Lippen. Nein. Ich will sie nicht. Und ich will, dass ihr sie auch nicht habt.
Aber das Leben ist nun mal nicht gerecht.
la-mamma - 27. Aug, 17:48

.

Rolli (Gast) - 27. Aug, 18:44

wenn meister steppenhund seinen job gut gemacht hat, kann bei der nachprüfung gar nichts schieflaufen.

hans1962 - 28. Aug, 10:50

Seltsamer Kommentar zu dieser Geschichte...
testsiegerin - 29. Aug, 13:54

ich weiß gar nicht wohin mit meiner dankbarkeit meister steppenhund gegenüber... aber das ist eine andere geschichte.
Anja-Pia - 30. Aug, 11:35

Ich drück schon mal die Daumen.
viennacat - 28. Aug, 12:13

und wieder habe ich idee, was prioriäten sind

testsiegerin - 29. Aug, 13:55

ja, so ging es mir auch. und trotzdem fegt der alltag mit seinen problemen manchmal einfach über einen weg, dass man sich nicht wehren kann.
gerda (Gast) - 28. Aug, 13:40

nein, gerecht ist das leben nicht.
aber es zwingt einen immer wieder die eigenen maßstäbe zu korrigieren.

alles liebe dir

gerda

testsiegerin - 29. Aug, 13:55

danke. wann kommst du eigentlich endlich?
LadylikeKandis - 28. Aug, 18:40

mukoviszidose..eine schlimme stoffwechselkrankheit. sie wurde damals bei meinem sohn angenommen, doch nach die untersuchung war gottseidank negativ.

trotz allem sind auch deine sorgen-sorgen. wir haben schließlich alle irgendwie unser päckchen zu tragen, und manchmal wird einem dann bewusst, dass nichts über gesundheit geht.

alles liebe dir.

testsiegerin - 29. Aug, 13:56

ja, das ist es ja, die eigenen sorgen verschwinden dadurch nicht.
trotzdem lassen einen solche situationen wieder ganz bewusst werden und dankbar und demütig sein, für das, was man hat.
katiza - 30. Aug, 11:48

Danke!

Jossele - 31. Aug, 18:16

Nein, gerecht ist das Leben nicht, aber was wäre gerecht?
Ich bewundere die Kraft mancher Menschen etwas hinzunehmen.
Andererseits, was bleibt uns an Alternativen?
Leben ist geborgt, also Tequila UND Cachaca!

Rolli (Gast) - 4. Sep, 14:12

und jetzt bitte eine meldung - besser noch ein beitrag - von meister steppenhund zu diesem thema!

steppenhund - 6. Sep, 23:19

@rolli

Es gibt Möglichkeiten mich mundtot zu machen. Sie haben bei diesen Kommentaren gleich zwei davon ausgeschöpft, obwohl ich zu dem Thema vielleicht wirklich etwas zu sagen hätte.

Weise Worte, wahr

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