Freitag am Finanzamt

„Ja?“, fragte die rothaarige Schalterbeamtin.
„Ja“, sagte der Mann, der keine Haare hatte, obwohl er noch keine vierzig war. „Ja, also, ich habe eine Beschwerde.“
„Sie sind hier nicht am Salzamt.“
„Sehr witzig. Schauen Sie sich das mal an.“ Er hielt der Rothaarigen eine aschgraue Pappendeckelschachtel vor die Nase.
„Herzlich gern. Am Montag. Wir sperren in zwei Minuten zu.“
„Zwei Minuten reichen. Bitte.“ Er wedelte mit einem Zwanzig-Euro-Schein vor ihrem Gesicht.
„Ich bin Beamtin, nicht Nutte.“
„Ich verstehe.“ Er steckte den blauen Schein ein und tauschte ihn durch einen grünen aus. „Ich hab’s geahnt“, murmelte er.
„Na ja. Ein Unmensch bin ich nun auch nicht.“ Sie schaute sich um, stellte fest, dass sie die Letzte im Amt war und schnappte sich den Hunderter.
Der Haarlose grinste und verkniff sich die Bemerkung, dass sie wohl doch eine Nutte war. „Nun machen Sie schon auf. Zwei Minuten sind kurz.“
Sie stand auf, öffnete die Glastür und ließ ihn herein. „Nur blasen und nur mit Gummi. Ohne kostet extra. Nur dass das klar ist.“
„Aber ich wollte doch nur...“ Seine Hände umklammerten die Schachtel ein wenig fester.
„War nur Spaß. Setzen Sie sich.“

Er ließ sich in einen billigen 80er-Jahre-Stuhl mit Aluminiumgestell und grüner Plastiksitzschale fallen. „Da bin ich aber froh. Blasen mit Gummi stelle ich mir auch für Sie nicht so schön vor. Außerdem meinte ich nur, dass Sie die Schachtel aufmachen sollen.“
Die Rothaarige zögerte. „Wer sagt mir, dass da keine Bombe drin ist. Es gibt so viele Terroristen und Perverse auf der Welt.“
„Ich sage das. Sie haben übrigens schönes Haar.“
„Sie nicht.“ Vorsichtig löste sie den Spagat von der Schachtel und hob den Deckel hoch. „Woooow!“, entfuhr es ihr. „Der ist wunderschön!“
„Sie auch“, hätte er jetzt sagen können, aber er begnügte sich damit sie zu beobachten. Und er sah, wie ihre Wangen leicht erröteten. Er sah, wie sie lächelte und tiefer und schneller atmete. Er sah, wie ihre Nippel sich unter ihrem Shirt abzeichneten. Er sah, wie ihre Hand in die Schachtel fasste und den purpurroten Stoff herausholte.
„Soll ich den für Sie probieren?“, lächelte sie und ließ den Slip durch ihre Finger gleiten. „Ist es das, was Sie möchten?“ Sie leckte ihre Lippen, deren Farbe genau zum Slip passte. „Sie sind mir ja einer!“
„Nein... schon..., also... er war in der Schachtel.“
„Das sehe ich. Ich hab ihn ja soeben herausgenommen.“
„Aber in der Schachtel sollten meine Belege sein, die das Finanzamt mir hätte zurückschicken müssen.“
„Oh. So was darf natürlich nicht passieren. Sonst denken die Bürger noch, dass hier nur Schlampen arbeiten.“ Sie bewegte sich langsam auf ihn zu und blieb breitbeinig vor ihm stehen. „Sie haben natürlich Anspruch auf Wiedergutmachung.“ Dann fasste sie seine Hand und führte sie zwischen ihre Schenkel. „Darf ich den Slip behalten? Ich hab heute früh vergessen einen anzuziehen.“

Seine Finger wurden feucht. „Natürlich dürfen Sie den behalten“, sagte er zu seiner Frau und fügte sicherheitshalber hinzu „aber die hundert Euro gibst du mir zurück, ja? Die hab ich mir bei unseren Kindern geborgt.“
LOL (Gast) - 31. Mai, 10:00

Genial!!

(6 von 5 Sternen)

testsiegerin - 31. Mai, 10:11

Danke! Ich hab die für den Rotlicht-Poetry-Slam gestern geschrieben. Leider bin ich nicht ins Finale gekommen und durfte sie daher nicht lesen. Das fand ich ja am meisten schade ;-)
AnjinSan (Gast) - 31. Mai, 15:17

und alle so...

Yeah. Wunderbar.
Danke fürs Herzeigen/ lesen lassen.

steppenhund - 31. Mai, 16:11

Sehr nett! - Ich kann absolut nichts aussetzen und verstehe nicht, warum er nicht ins Finale gekommen ist. Ich finde die Geschichte ausgesprochen originell.

testsiegerin - 31. Mai, 16:28

nein, ich bin ja mit gaumenfreuden angetreten, und die besten kamen ins finale, und da war ich nicht drunter und drum durfte ich den text auch nicht mehr lesen.
war ja mein erster poetry-slam. da geht es halt ziemlich ums auftreten und darum, einen text möglichst rhythmisch vorzutragen, und außerdem ist halt immer sehr subjektiv, was einem gefällt und was einem nicht gefällt. die texte waren nicht wirklich vergleichbar miteinander.
Jossele - 3. Jun, 08:30

Sex im Finanzamt ist wirklich schräg.
Echt schade, dass du nicht lesen durftest, da ist denen eine sehr gute Geschichte entgangen.

rosmarin - 3. Jun, 11:33

yep.... das publikum hat was verpasst!!!
wortmischer - 3. Jun, 13:04

Was es in Wien alles gibt: "Rotlicht Poetry Slams"!

Unverständlich bleibt jedoch, warum Sie nicht lesen durften. In den gefacebuchten Regeln steht doch explizit, dass jede(r) vorlesen darf, die oder der zwei Kurzgeschichten im Gepäck hat. Sehr schade.

(Allerdings warte ich jetzt schon noch auf den zweiten Text der Testsiegerin.)
wortmischer - 3. Jun, 13:15

... oder wie wär's mit einem Barbara-Lehner-Rotlicht-Slam in der Tradition des alphabetischen Obsalates?
testsiegerin - 3. Jun, 16:44

schön, dass sie euch gefällt!

ich durfte schon lesen, nämlich meinen ersten text, Gaumenfreuden (der stand sicher schon mal hier), aber ich bin eben leider nicht ins finale gekommen, da hätte ich den zweiten text lesen dürfen ;-)
Valivarius - 3. Jun, 17:07

Bis auf den Anfang alles klasse. Für einen Poetry-Slam allerdings - von dem her, was ich kenne und nicht achte - nicht das passende Format, drum also kein Wunder. Aber auf offenen Lesebühnen (wenn du die nicht zu langweilig findest, was ich mir durchaus vorstellen kann) müsste der super ankommen. Vielleicht auch, dass er sich (noch weiter ausgearbeitet und überarbeitet) bei einem Wettbewerb einreichen ließe. Gruß, vv

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"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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