Briefverkehr mit einem Beamten

Freitag, 1. Dezember 2006

Briefverkehr 31

Sehr geehrte Frau Lehner,

wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens und übersenden Ihnen in der Beilage die Vorladung zur amtsärztlichen Untersuchung, in der Ihre aktuelle und prospektive Verkehrstauglichkeit geprüft wird. Dazu sehen wir uns aufgrund Ihres Schreibens leider gezwungen.

Im Anschluss an das amtsärztliche Gutachten werden Sie gebeten, beim Kuratorium für Verkehrssicherheit einen Termin für die VPU (Verkehrspsychologische Untersuchung) zu vereinbaren.

Diese Untersuchung besteht aus zwei Teilen, einem Test und anschließend einem Gespräch mit einem Verkehrspsychologen oder einer Verkehrspsychologin.
Getestet werden Reaktionsvermögen, Beobachtungsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit sowie Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale, die für das Verhalten im Straßenverkehr wichtig sind.
Im Gespräch mit einem Verkehrspsychologen werden der Anlass der Untersuchung, Ihre bisherigen Erfahrungen im Straßenverkehr und Probleme, die möglicherweise in diesem Zusammenhang aufgetreten sind, besprochen.
Das Original der verkehrspsychologischen Stellungnahme wird gemäß den gesetzlichen Bestimmungen direkt an unsere Behörde weitergeleitet.

Tipps und Hinweise zur VPU
-) Bitte trinken Sie ab dem Abend vor dem Test keinen Alkohol.
-) Kommen Sie ausgeschlafen und ausgeruht zu uns.
-) Nehmen Sie Medikamente nur dann, wenn diese ständig ärztlich verordnet sind Bitte nehmen darüber hinaus auf keinen Fall irgendwelche Medikamente (z.B. Beruhigungsmittel), sie könnten Ihre körperliche Verfassung beeinträchtigen.
Bitte bringen Sie Ihren Lichtbildausweis und den Zahlungsbeleg für die Untersuchungsgebühr mit.


Wenn ich noch ein paar ganz persönliche Worte anfügen darf: Ich habe in meiner Familie ein Mitglied mit einer psychischen Erkrankung und weiß, wie wichtig Anteilnahme und Verständnis sind. Ich wünsche Ihnen deshalb Angehörige und Freunde, die für Sie da sind und außerdem für die nächste Zeit viel Kraft und alles Gute.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

für den Bezirkshauptmann
Beatrix Sattmann-Tauber, Sachbearbeiterin

Donnerstag, 30. November 2006

Briefverkehr 30

Werte Behörde,

Sie haben mir gestern ein Schreiben zukommen lassen, in welchem Sie mich höflich darauf aufmerksam gemacht haben, dass ich an einem schönen Samstag im Herbst am Fuße des Buschbergs die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe, indem ich statt 50 km/h satte 73 gefahren bin. Der Ort war an dieser Stelle schon fast zu Ende, ganz nebenbei erwähnt. Aber natürlich sind Sie im Recht. Sind Sie eigentlich immer im Recht, als Behörde?

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich auch heute noch stolz bin auf meinen glubschäugigen Twingo.
Wie auch immer, ich möchte mich wieder sehr herzlich bedanken. Für Ihr aufmerksames Schreiben und für den Spendenerlagschein. 42 Euro sind es diesmal gar. Würfeln Sie die Strafen? Oder ist Rasen teurer geworden, weil der Straßenerhalter pleite ist? Ich hab das in der Zeitung gelesen.

Danke, dass Sie mich davor bewahrt haben, das Geld für völlig unnötige Dinge auszugeben. Unnötige, und vielleicht sogar total gefährliche Dinge. Wie einen Besuch im Hotel Orient, zum Beispiel. Kennen Sie das Hotel Orient? Eineinhalb Stunden wären sich für das Geld ausgegangen. Zeit genug, um dort einem Triebtäter in die Hände und zum Opfer zu fallen. Ich würde am Heiligen Abend nicht gemütlich vor dem Kamin sitzen und „Leise rieselt der Schnee“ singen, nein, der Schnee würde leise und unbarmherzig auf mein kaltes Grab sinken und die frischen Mohnblumen darauf sanft bedecken.
Vielleicht hätte ich mir für das Geld auch neue Gummistiefel gekauft (da kriegt man schon recht anständige darum) und wäre einem braven Beamten Ihrer Behörde damit auf die Zehen getreten. Meine alten, schwarzen Gummistiefel haben nämlich Rotweinflecken, die nicht mehr herausgehen, müssen Sie wissen. Wissen Sie bestimmt.
Ich hätte mir auch die Hörbuchausgabe von Dante Alighieris Göttlicher Komödie kaufen und beim Smalltalk ein bisschen prahlen können, indem ich daraus zitiere:

Ist für gebeugt das strenge Recht zu achten,
Wenn das erfüllt der Liebe heißer Trieb,
Was jenen oblag und sie nicht vollbrachten?



Oder ich hätte Unmengen von schokoliertem Lebkuchen auf dem Adventmarkt gekauft, für einen lieben Freund und seinen Cockerspaniel. Die Zahnarztkosten für Hund und Herrl hätten die Höhe des Strafbetrages um ein Vielfaches übertroffen.

Sie sehen schon, ich bin froh und erleichtert, dass mein Geld jetzt an einen sicheren Ort und einem wirklich wohltätigen Zweck zugute kommt.
Ich danke Ihnen deshalb noch mal von ganzem Herzen.
Ein aufrichtiges Vergelt's Gott.
Auf Ihre Antwort freue ich mich. Erzählen Sie mir doch ein bisschen über sich. Kommen Sie aus dem Mostviertel? Haben Sie Sehnsucht nach Afrika? Gehen Sie bald in Pension?

Ihre
Barbara A. Lehner

P.S. Du kannst nicht nur Jennifer, sondern auch Pamela, Britney und Paris mitnehmen, wenn du willst. Korneuburg geht übrigens in Ordnung. Wann soll ich da sein?

Mittwoch, 29. November 2006

Briefverkehr 29

Liebe Barbara

nur kurz, ich muss nämlich gleich los. Es ist fünf vor vier und ich will keinen Augenblick länger als notwendig arbeiten. Du weißt ja, wie wir Beamten sind. Außerdem hatte ich keinen guten Tag.

Wie wäre es, wenn du in Zukunft Gedichte an dich gleich selber schreibst?
Goethe hat übrigens sehr wohl als letztes Wort „auch“ verwendet. „Warte nur, balde ruhest du auch.“
Trotzdem danke für deine Kritik, die du mir wie einen nassen Waschlappen um die Ohren gefetzt hast. Sollte man sie nicht wie einen wärmenden Mantel reichen?
Zum Adventmarkt würde ich gerne mit dir fahren, Barbara. Stört es dich sehr, wenn ich uns dafür mein Auto anbiete? Ich mach mich nämlich nicht so gern schmutzig. Soll ich dich abholen oder treffen wir uns in Korneuburg?
Hast du etwas dagegen, wenn Jennifer mitkommt?
Ach ja, die Anonymverfügung ist auch unterwegs. Tut mir leid.

Liebe Grüße
Herwig

Dienstag, 28. November 2006

Briefverkehr 28

Lieber Herwig,

puhh, ich trinke nie wieder so viel Prosecco. Der Alkohol schwemmt meine Hemmungen davon.
Aber – und jetzt wirst du staunen – ich nehme den Kuss nicht zurück. Behalt ihn ruhig, es war eh ein total kleiner, harmloser Kuss.
Danke für das Gedicht. Nun ja, Rilke wird keiner aus dir, aber du hast dich sehr bemüht.
Gleich in der ersten Strophe, da benützt du die Wendung „voll in mein Leben gerast.“ So geht das nicht. Das ist viel zu austauschbar und allgemein. Da braucht es etwas Stärkeres als das Wort Leben. Verstehst du, was ich meine? Ich bin ja sozusagen nicht nur ein bisschen an dir vorbeigerast, sondern total angeknallt, also musst du das auch im Gedicht so ausdrücken. „Voll gegen die Wände meiner Herzkammer geknallt“ vielleicht.
Die Zeile mit den Gummistiefeln könntest du etwas weicher und sanfter formulieren, finde ich. Gummistiefel sind nicht wirklich poetisch. Und Wut auf Mut zu reimen ist etwa so originell wie Herz auf Schmerz und zeugt nicht von allzu großem Einfallsreichtum. Nun gut, Hut wäre noch schlimmer gewesen und Blut oder Glut auch. Versuch es mal mit akut oder absolut, oder – um bei der misslungenen Meermetapher zu bleiben – mit Flut. Und das L in Flut nicht vergessen, ja?
Der Schluss, der ist leider ganz schlecht, Herwig. Man kann nicht auch auf Bauch reimen, ohne dass der Leser schlimme Bauchkoliken bekommt. Und dieses einsilbige Wort so ganz allein am Ende stehen lassen. Außerdem wird auch inhaltlich nicht klar, worum es geht. Soll ich das Klopfen in deinem Bauch hören oder in meinem eigenen? (Das Klopfen im Bauch find ich übrigens schön, weil Herzen klopfen eh überall, Bäuche grummeln meistens nur oder knurren, das hast du richtig gut gemacht.)
Egal, da musst du auf jeden Fall noch mal ran.
Versuch doch, nicht zu viele unterschiedliche Bilder zu vermischen. Das tun die meisten Gedichter-Anfänger. Schlichtheit ist gefragt, das Einfache wirkt oft am meisten. Sieht man ja an mir.
Noch etwas: Du hast in der ersten Strophe das Rasen, dann das Fliegen, das ist gut, bleib also bei der Bewegung, oder kehre wenigstens am Ende wieder dorthin zurück.
Kränk dich nicht über meine Kritik, wird schon noch. Ist halt nicht jeder zum Dichter geboren, jeder Mensch hat andere Fähigkeiten. Ich zum Beispiel kann nicht stricken.

In dem spannenden Büchlein hab ich noch nicht weiter gelesen, ich hatte die letzten Tage zu viel um die Ohren.

Herwig, ich würde gern mit dir über den Adventmarkt spazieren, wenn du mir die Maroni schälst. Und ich füttere dich mit Lebkuchen, wenn du versprichst, mir nicht die Finger abzulutschen.
Wie wäre es mit Retz? Nächste Woche findet dort der Adventmarkt „drüber und drunter“ statt. (Ich bin lieber drunter, übrigens.)
Highlights sind der „unterirdische Advent“ im Erlebniskeller, der Weihnachtskarpfenverkauf aus dem Stadtbrunnen und als besondere Attraktion der Perchtenlauf.

Alles Liebe
Barbara

Montag, 27. November 2006

Briefverkehr 27

Liebe Barbara,

du hast mich geküsst. Du hast mich tatsächlich geküsst. Wenn auch nur brieflich und wenn auch nur im Prosecco-Fieber. Ich hab keine Ahnung, ob der Kuss dem alten Waldviertler Steiner oder mir galt, und vermutlich tut’s dir in der Zwischenzeit schon wieder leid, aber das ist mir im Moment völlig egal. Hauptsache, du hast mich geküsst.
Du zeigst Gefühl. Das Buch wirkt schon, und das, obwohl du bisher nur den Klappentext gelesen hast. Wie wird das erst sein, wenn du die Bildchen dazu anschaust und die einfachen Texte darin liest? Wird dann ein Dampfer beladen mit Vertrauen an deine stolzsturen Deiche rammen und sie niederreißen? Und werden mich dann all deine Gefühle überfluten und mit ins Meer reißen?
Ich weiß, die Metapher hinkt, ich bin kein Dampfer und du kein Deich, aber lies das Buch bitte trotzdem ganz langsam. Ich weiß nämlich noch nicht, wie ich mit der neuen, sensiblen, warmherzigen, gefühlvollen Barbara umgehen soll, mit der, die mich küsst, anstatt mich einen erbärmlichen Waschlappen zu nennen.
Barbara, ich hab dir ein Gedicht geschrieben. Du als Dichterin wirst das ja kennen: Wenn das Herz voll ist, quillt die Tinte über.

Du bist
mit einundneunzig voll in mein Leben gerast
(nach Abzug der Messtoleranz)
erst Blitze
dann Witze
und das Klopfen im Bauch

Du hast
mich umgarnt und betört und verwirrt
(nach allen Regeln der Kunst)
erst Fliegen
dann Lügen
und die Landung tat weh

Du bist
in Gummistiefeln auf meine Zehen getreten
(nach delikatem Schweigen)
erst Mohn
dann Hohn
und der Stolz war verletzt

Ich hab
Espresso getrunken anstatt deiner Lust
(nach bangen Minuten)
erst kein Mut
dann die Wut
Hörst du das Klopfen im Bauch
auch?



Titel ist mir noch keiner eingefallen.

Ahja. Würdest du mich auf einen Adventspaziergang einladen, dann täte ich sehr gerne zusagen. Ich würde dir auch gerne die Maroni schälen, wenn du mich im Gegenzug mit schokoliertem Lebkuchen fütterst.

Dein Herwig

Sonntag, 26. November 2006

Briefverkehr 26

Lieber Herwig,

ich bin grad ein bisschen betrunken, weil ich Geburtstag gefeiert hab und dein Geburtstagsgeschenk hab ich auch ausgepackt. Vor dem Auspacken hab ich mir beim eingepackten Geschenk noch überlegt, was darin wohl verpackt ist. Ein Buch, das wusste ich ja. Aber was für eines, war die Frage. Nach deinem letzten Brief war ich mir nicht ganz sicher, ob du mir eher 120 Tage von Sodom oder doch vielleicht Wilder Thymian von Rosamunde Pilcher schenkst, obwohl ich ja Rosmarin viel lieber mag.
Ja, und jetzt muss ich lachen. Wahrscheinlich nur, weil ich beschwipst bin, sonst tät ich mich vermutlich ärgern, also hast du Glück gehabt. Heute ist mein Geburts- und dein Glückstag.

Wie kommst du auf die Idee, mir ausgerechnet „Ich und meine Gefühle. Emotionale Entwicklung für Kinder ab 5“ zu schenken?
Noch hab ich ja nur den Klappentext gelesen: Die eigenen Gefühle wahrzunehmen und verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen, ist ein Lernprozess und wichtig für das Zusammenleben.
Dieses Buch lädt mit seinem einfachen Text und den ausdrucksstarken Bildern zum Gespräch über die eigenen Gefühle ein.


Ach Herwig, ich will mit dir überhaupt nicht über meine Gefühle reden, ich verstehe sie ja selber nicht. Aber vielleicht ändert sich das nach der Lektüre dieses Buches.

Du, was hältst du davon, wenn nicht du mich, sondern ich dich auf einen Adventspaziergang einlade? Und ich verspreche hoch und heilig, dass ich dort bin, wo auch du bist und nicht auf dem Buschberg. Wenn es sein muss, verspreche ich dir sogar, dass ich vorsichtig fahre. Und dass ich mich nicht über „Ihr Kinderlein kommet“ lustig machen werde und dir keinen heißen Punsch ins Gesicht schütte? Sogar die Gummistiefel würde ich für dich zu Hause lassen.

Ich esse übrigens total gerne gebratene Maroni, aber ich mag es nicht, sie zu schälen. Würdest du das für mich tun?

Ach du, ich glaub, ich trinke jetzt noch ein Glas Prosecco und lege mich dann ein bisschen hin.

Ich küsse dich
Deine Barbara

Samstag, 25. November 2006

Briefverkehr 25

Liebe Barbara,
ich beglückwünsche dich zu deiner Menschenkenntnis. Ja, ich gestehe, genauso wie du es dir ausgemalt hast, genauso wäre es passiert. Wärst du nicht gewandert und hätte ich nicht Kaffee getrunken.
Ich hatte alles minutiös geplant. Mit dem Portier hab ich mich abgesprochen, das ging schnell, es war ja nicht das erste Mal, dass wir gemeinsam eine attraktive, naive Frau aufs Kreuz legten und anschließend wegschafften.
In meinem Aktenkoffer hatte ich das notwendige Werkzeug, fein säuberlich sortiert, ich bin nämlich ein ziemlich ordentlicher Mensch, zum Unterschied von dir. (Ist dein Twingo schon mal in Berührung mit Waschwasser gekommen?)
Die Handschellen waren im Koffer, Fesseln und Nylonseile, die zwölfschwänzige Peitsche, ein paar präzise geschliffenen Küchenmesser und die handliche, zusammenklappbare Kettensäge. Ein schwarzer Kunststoffsack zum Entsorgen deiner Leiche auch.


Ganz im Geheimen glaube ich ja, du hättest Spaß gehabt, bis auf das Aufschlitzen natürlich. Das Zerstückeln hättest du ohnehin nicht mehr gespürt.
Im Büro nennen sie mich übrigens „Wig, the Ripper“ (obwohl ich nie Perücke trage).

Ja, und dann kam alles anders. In der Innenstadt montierten sie gerade die Weihnachtsbeleuchtung, es roch nach Lebkuchen und Punsch und nach Friede und Freude. Und da war dieser Duft nach frisch geröstetem Kaffee und nach Topfentorte, als ich am Café Central vorbeikam, also ging ich hinein. „Herwig“, hab ich mir gesagt, „verschiebe die Sache und lass uns erst mal einen Espresso trinken.“ Ich kann es nicht genau erklären, Barbara, aber mir war in diesem Moment einfach nicht nach einem sexuellen Ritualmord.

Meine Güte, Barbara, bist du deppert! Aber gleichzeitig macht dich dein Hang zur Dramatik und deine Phantasie nur noch reizvoller für mich. Hast du schon mal überlegt, die Aufnahmeprüfung am Max Reinhardt-Seminar zu machen?

Anbei ein kleines Büchlein, Barbara. Und ein kleiner Tipp: Schau nicht so viele fern, oder wenigstens ein bisschen harmlosere Sachen, Musikantenstadl vielleicht oder Starmania.

Dein Herwig

P.S. Beinahe hätte ich dich jetzt auf einen kleinen Adventspaziergang eingeladen, aber dann dachte ich, wahrscheinlich fürchtest du dich dabei ohnehin vor den Weihnachtsmännern. Und schweigen kann ich auch allein.

Freitag, 24. November 2006

Briefverkehr 24

Lieber Herwig,

sagtest du tatsächlich „eine Frau mittleren Alters“?
Ich bin noch nicht mal Mitte Vierzig, mein Lieber, und zwar übermorgen. Nix mittleres Alter, ich stehe in der Blüte meines Lebens und strotze vor jugendlicher Frische. Trotzdem brauchst du mich nicht wie ein kleines Kind zu behandeln, die Straße hätte locker einen Hunderter vertragen, die kenne ich wie meine Einkaufstasche. Vor dem Einkauf, wohlgemerkt.
Und das Licht ist seit kurzem kaputt, ich weiß, seit ein paar Wochen cirka, aber ich fahre ohnehin kaum nachts.
Ja, jetzt weißt du es also, dass ich gar nicht im Orient war. Kurz hab ich ja überlegt, dir jetzt ein paar grandiose Ausreden aufzutischen, wie zum Beispiel, dass ich mich mit der Sommer- und Winterzeit geirrt habe, aber ich bin ganz schlecht in Mathematik und ich weiß nie, ob es jetzt früher oder später ist, wenn die Uhr zurückgestellt wird, also hätte das nichts getaugt. Im Tag hätte ich mich irren können, oder den Twingo einer Freundin geborgt haben, aber das hätte auch blöd geklungen, weil du mich ja auf dem Bild erkannt hast. Na gut, ich hätte sagen können, jemand hat mein Auto gestohlen und hat sich während der Fahrt auf den Buschberg ein Foto vors Gesicht gehalten, auf dem ich grad meine Lippen bemale. (Das hab ich mal bei Colombo gesehen, und Colombo ist eh draufgekommen, weil er da ja noch eine Frage hatte.)
Also keine grandiose Lüge, Herwig, sondern die Wahrheit:

Ich bin nicht ins Orient gekommen, weil ich Angst hatte.

Angst davor, dass du mich – kaum angekommen – ans Bett fesselst, mir die Kleider vom Leib reißt, meine teure Unterwäsche kaputtmachst und deine perversen und gewalttätigen Triebe an mir auslebst. Meine Hilferufe hätten nichts genützt und wären vermutlich von den Herrschaften in den Nachbarzimmern als Lustschreie interpretiert worden, weil in so einem Etablissement gewiss mehr Damen schreien. Niemand hätte mich vermisst, weil ja niemand – oder fast niemand – von meinen Plänen gewusst hat.
Den Portier hättest du zu deinem Komplizen gemacht, indem du ihm erlaubt hättest, dass auch er sich an mir vergeht, bevor du mich auf bestialische Weise aufschlitzt und anschließend zerstückelst. Gegenüber der Presse und der Kriminalpolizei hätte dieser Komplizenportier gesagt, dass er beobachtet hat, wie ein bierbäuchiger, glatzköpfiger Bauer mit Waldviertler Akzent aus der Kaisersuite stürmte und die Flucht ergriff. Und du wärst seelenruhig aus dem Hotel gegangen, wärst am Montag ins Amt gefahren, als ob nichts geschehen wäre und hättest dir mittels Anonymverfügung dein nächstes Opfer gesucht.

Ja, ich konnte mit dieser Situation und deiner fiktiven Brutalität nicht gut umgehen. Verstehst du wenigstens, warum ich panische Angst hatte und stundenlang durch die Wälder des Buschbergs gestreift bin, um mich von diesem Schock zu erholen? Ich hätte dir ja so etwas nie zugetraut.
Eher hätte ich dir zugetraut, dass du den Mut verlierst und im Kaffeehaus einen warmen Kakao trinkst und Sachertorte mit Schlag isst, während ich mich zu Tode ängstige.

Auf deine Vorwürfe, ich würde dich wie ein Spielzeug behandeln und ich könnte keine Gefühle zulassen, gehe ich nicht ein, denn diese Anschuldigungen entbehren jeder Grundlage und sind einfach lächerlich.
Ist Angst etwa kein starkes Gefühl? Und hab ich diese Angst nicht am Samstag zugelassen? Obwohl ich mir damit Schwierigkeiten eingehandelt habe?

Liebe Grüße
Barbara

Mittwoch, 22. November 2006

Briefverkehr 23

Liebe Barbara,

ja, ich bin bei Trost. Ich schon.

Auf meinem Tisch liegt ein Foto. Es zeigt das Gesicht einer Frau im mittleren Alter, in einem Twingo mit Korneuburger Kennzeichen. Zugelassen ist der Wagen auf eine gewisse Barbara Anna Lehner. Und obwohl das Bild unscharf ist, kann man dich darauf eindeutig erkennen. Außerdem kann man erkennen, dass dein Blick nicht auf die Fahrbahn gerichtet ist, sondern in den Rückspiegel, und dass du dir gerade die Lippen bemalst. Bist du völlig übergeschnappt? Kein Wunder, dass du die Schilder mit den Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht wahrnimmst. Dieses Problem lässt sich mit Geld lösen. Das Leben aber, Barbara, das ist unbezahlbar.
Ich mach mir Sorgen, dass du irgendwann gegen einen Baum knallst, wenn du so unkonzentriert weiterfährst. Außerdem gefährdest du mit deinem Verhalten nicht nur Bäume, sondern auch andere, unschuldige Verkehrsteilnehmer. Ohne Licht fährst du noch dazu, ich denke, dir ist klar, dass das strafbar ist, oder?

Nein, es ist nicht das Foto vom August, sondern ein neues. Brandaktuell. Geschossen letzten Samstag, um 15:48 am Fuße des Buschbergs. Samstag, kurz vor vier, sagt dir das was? Ich bin zu der Zeit im Café Central gesessen und habe dir einen Brief geschrieben, wenn du dich erinnerst. Und du hast dich angeblich mit einem Mann ohne Eigenschaften gelangweilt.

Ich könnte das Foto natürlich einfach verschwinden lassen. Tu ich aber nicht, aus pädagogischen Gründen. In den nächsten Wochen wird der Briefträger dir eine Anonymverfügung bringen. 42 Euro kostet dich der Spaß, du kannst dir ja bis dahin schon überlegen, was du dir um diesen Betrag alles hättest kaufen können und vor welchem Ungemach wir dich mit der Strafe diesmal bewahrt haben. Und dann schickst du mir wieder einen lustigen Brief, den ich diesmal nicht meinem Kollegen zeige, sondern ganz alleine lese. Dann antworte ich darauf, liebevoll und ehrlich. Wir fangen einfach noch mal ganz von vorne an und schauen, was dabei heraus kommt.
Neues Spiel, neues Glück.

Herwig

Dienstag, 21. November 2006

Briefverkehr 22

Herwig?

Bist du noch bei Trost? Beleidigt? Ich?
Wie kommst du denn auf diese absurde Idee? Ich bin doch nicht beleidigt!
Da musst du dich schon ein bisschen mehr anstrengen, um mich beleidigt zu machen.

B.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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