Gedichte
Die gleißende Sonne blendet
warnt sie die Fremden
und drückt den Tschick
mitten im lachenden Gesicht auf dem Foto
aus
Fahren Sie lieber nicht raus
Der blaue Himmel
ist ein elender Betrüger
Oberflächlich
das Lachen
und seicht der See
Fahren Sie lieber nicht raus
wiederholt sie
und wirft Loch und Bild in den See
Um zu ertrinken
reicht eine dreckige Lache
(A.M. See)
testsiegerin - 4. Jan, 16:38
„Willst du meine ...?“
Die Yacht krängt
sich unter seinen Worten
Ihr Blick schweift
zu all den kleinen Häfen
abgetakelten Booten
zerschlissenen Segeln
Nein, denkt sie
meine eigene
Einsamkeit
ist mir genug
Ich brauche keinen Anker
sondern Flügel
„Ja“, sagt sie
mitten hinein
in Angst und Hoffnung
* Der Doppelte Schotstek verbindet ein festes mit einem dünnen flexiblen Seil. Die Knotenfestigkeit ist abhängig vom Dickenunterschied und von der Art und Oberfläche der Seile.
(A.M. See)
testsiegerin - 30. Dez, 11:15
Tanzen will sie
Mit scharfen Kufen
ritzt sie
tiefe Schnitte in die
Arme des Sees
und verbeugt sich
Tanzen will sie
und Pirouetten drehen
Sich selbst
spürt sie nur noch
wenn Gefahr
unter ihren Füßen knirscht
und beugt sich
Tanzen will sie
Pirouetten drehen
und schweben
(und leben)
Kein Applaus
Eis und Haut
immer eine Spur zu dünn
(A.M. See)
testsiegerin - 28. Dez, 18:29
Zwischen den Zehen Schlamm
statt Sand
der See nicht weiblich
der Kerl an den Lippen noch nicht männlich
und die Sehnsucht nach dem Meer
unendlich
Schilfgras rauchen
und den Wein zuckern
Lukas schmeckt nach Smart
nicht nach Samos
Ungeschickte Berührungen
vom langen Lucky
Vom Vater
Watschen
„Wehe Kind“, wütet er
„wehe, ich erwische dich noch einmal
wie du den Welschriesling
zuckerst.“
(A.M. See, aus "Das Segel des Loches")
testsiegerin - 20. Dez, 23:10
„a mensch“
hat die großmutter geseufzt
mich gegen ihre qualligen brüste gepresst
und trüb ins schlammige wasser
gestarrt
zwischen meinen beinen
kein strammer mast
bloß ein loch
statt stolz
nur scham
hier
im land der burgen
und des sees
zählte „a mensch“
nur als halber mensch
wie aber
stolz sein
auf etwas
das scham heißt?
(A.M. See)
Dieses Gedicht ist aus dem Lyrikband "Das Segel des Loches" von A.M.See.
Hier der Klappentext, entstanden im Blog von David Ramirer (https://davidramirer.twoday.net/stories/32-gratis-ideenspenden/), auch das Buchcover ist von ihm.
dicht / holen
wir die segel
wenden wieder
in die windschatten /
seite der nacht
fieren und frieren
nichts mehr im echo/
lot
lass uns abtauchen
und ankern
im schwarzen nichts
Dies ist eines von 23 Gedichten des schmalen Lyrikbändchens der im burgenländischen Seewinkel lebenden Autorin A.M. See. Gleichzeitig ist es der Anfang einer beklemmenden Reise in die Innen- und Außenwelten von Anna-Maria See, die mit bürgerlichem Namen Seewald heißt. Sie führt uns in die Abgründe ihrer Seele, in die Tiefen ihrer Ängste, zieht die Leser mit hinein in die Sümpfe ihrer Schuld und Scham. Mit ihr verfangen wir uns im Schilf der oberflächlichlichen Lüste und Sehnsüchte, die unerfüllt bleiben.
Nachdem schon ihr erster Lyrikband „Der Himmel des Sterns“ gleichermaßen Leserschaft und Kritik beeindruckt und aufgewühlt hat, setzt A.M. See mit diesem Werk noch eines drauf. Düster, doch niemals trostlos verarbeitet sie darin ihre triste Kindheit der Winter am Neusiedlersee, die ersten, glitschigen Küsse in den Schilfhütten und den Tod ihres im vorigen Sommer bei einem Sturm ums Leben gekommenen Segellehrers, mit dem sie eine ebenso obsessive wie geheime Lieb- und Leidenschaft verband.
„Ein Buch wie ein Gewitter am See. Schaurig-schön und gefährlich.“ (Pannonische Rundschau)
P.S. Das ist natürlich alles von mir, eh klar. A.M. See ist nur mein Lyrisches Ich.
testsiegerin - 17. Dez, 20:42
Die strahlende Frau
auf der vergilbten Kinderzeichnung
war mal sie
Damals war der Lack
von den roten Stiefeln
noch nicht
ab/gebrochen
nicht das Herz
ungetrübt der Blick
Mit schwarzen Filzstiften
malt sie dicke Wolken
in den blauen Himmel
und dunkle Regentropfen
über ihren Kopf
Vielleicht sollte ich mich
einfach ausradieren
verschmiert sie mit dem Stück Gummi
lustleidend ihre Konturen
Kein Kummer mehr
und kein Schmerz
Immer dünner
wird das Papier
dem Zerreißen nahe
Das ist mein Bild
brüllt das Kind
vor Kummer und Schmerz
Du hast kein Recht es zu kaputten!
Mit neongelbem Leuchtstift
malt es trotzig
fette Sonnenstrahlen
zwischen die Regentropfen
Mit blutrotem Nagellack
ein Lächeln auf
Stiefel und Lippen
und unendlichen Scham
in ihre Seele
testsiegerin - 8. Nov, 09:38
Kein Blatt vor dem Mund
Keine Faust in der Tasche
Ich lach ohne Grund
und trink aus der Flasche
Kein Glück im Spiel
Kein Pech in der Liebe
Vom Rotwein zu viel
zu viel auch die Triebe
Keinen Stein im Brett
Kein Herz in der Hand
Einen geilen Mann im Bett
oder Sex an der Wand
Kein Brett vor dem Kopf
Wenig Dreck am Stecken
Pack das Leben beim Schopf
und wiege dein Becken
Keine Kohle auf der Bank
Kein Koks im Keller
Den Tiger im Tank
aber nix auf dem Teller
Keine Kraft in der Linken
In der Rechten kein Hirn
Vor Schande versinken
mit Schweiß auf der Stirn
Kein Arsch in der Hose
kein Feuer im Blick
Wolle kaufen Rose?
Scheiß auf die Politik
Im Korb keinen Hahn
Unter dem Scheffel kaum Licht
Keine Größe im Wahn
Sorry, das bin ich nicht
Flöhe in den Ohren
Kraft in den Lenden
Die Hoffnung nie verloren
und das Heft in beiden Händen
Kein Blatt vor dem Mund
Keine Faust in der Tasche
Ich lach ohne Grund
und trink aus der Flasche
testsiegerin - 30. Okt, 11:32
Zieh dich aus
sagst du
mit deiner Reibeisenstimme
Ich schlüpfe aus meiner dünnen Seele
streiche sie behutsam glatt
hänge sie über die Lehne des Holzstuhls
krieche zu dir
und reibe
ganz nackt
ganz langsam
mein Herz an deinem
Du wirst schon sehen
hat meine Großmutter damals gesagt
die Wolle von meinen Händen gewickelt
und warme Strümpfe daraus gestrickt
Du wirst schon sehen:
Lieben tut weh
Jetzt sehe ich:
Es blutet
mir das Herz
und tropft auf den kalten Steinboden
Nicht nur deine Stimme
Auch dein Herz
ist aus Reibeisen
testsiegerin - 27. Okt, 19:52
Im ruppigen Wald
steht sie
und lässt sich
den rauen Wind
ins Gesicht blasen
frei willig
heult sie mit den Wölfen
und wartet
Seit Tagen
und Nächten
steht sie da
betrachtet die dünnen Härchen
auf den Unterarrmen
und wartet
Vielleicht
denkt sie
kommt eine frostige Nacht
vielleicht muss ich
nur noch ein bisschen
fester frieren
bis es endlich
zu wachsen beginnt
das dicke Fell
testsiegerin - 20. Okt, 22:11
Der Schmetterling in ihrem Bauch
entpuppte sich
als graumelierter Dickkopffalter
Eingesponnen in einen Kokon aus Kälte
lag er schwer im Magen
Sein Herzblut
- eben noch die Herzkammern geflutet
in ihrem Becken pulsiert
ins Hirn geströmt
- jetzt ein Gerinnsel in den Beinvenen
Einst lustvoll
Begehren in ihren Leib gekrallt
ihn gestreichelt mit Worten und Lippen
später sich wie eine Milbe in ihre Haut gegraben
und das System geschwächt
Den Parasiten abgeschüttelt
wippt das Becken
endlich
wieder im eigenen Rhythmus
flattern Orchideenschwärmer
in ihre Freiheit
testsiegerin - 14. Okt, 21:47