Kein Blatt vor dem Mund
Keine Faust in der Tasche
Ich lach ohne Grund
und trink aus der Flasche
Kein Glück im Spiel
Kein Pech in der Liebe
Vom Rotwein zu viel
zu viel auch die Triebe
Keinen Stein im Brett
Kein Herz in der Hand
Einen geilen Mann im Bett
oder Sex an der Wand
Kein Brett vor dem Kopf
Wenig Dreck am Stecken
Pack das Leben beim Schopf
und wiege dein Becken
Keine Kohle auf der Bank
Kein Koks im Keller
Den Tiger im Tank
aber nix auf dem Teller
Keine Kraft in der Linken
In der Rechten kein Hirn
Vor Schande versinken
mit Schweiß auf der Stirn
Kein Arsch in der Hose
kein Feuer im Blick
Wolle kaufen Rose?
Scheiß auf die Politik
Im Korb keinen Hahn
Unter dem Scheffel kaum Licht
Keine Größe im Wahn
Sorry, das bin ich nicht
Flöhe in den Ohren
Kraft in den Lenden
Die Hoffnung nie verloren
und das Heft in beiden Händen
Kein Blatt vor dem Mund
Keine Faust in der Tasche
Ich lach ohne Grund
und trink aus der Flasche
testsiegerin - 30. Okt, 11:32
Zieh dich aus
sagst du
mit deiner Reibeisenstimme
Ich schlüpfe aus meiner dünnen Seele
streiche sie behutsam glatt
hänge sie über die Lehne des Holzstuhls
krieche zu dir
und reibe
ganz nackt
ganz langsam
mein Herz an deinem
Du wirst schon sehen
hat meine Großmutter damals gesagt
die Wolle von meinen Händen gewickelt
und warme Strümpfe daraus gestrickt
Du wirst schon sehen:
Lieben tut weh
Jetzt sehe ich:
Es blutet
mir das Herz
und tropft auf den kalten Steinboden
Nicht nur deine Stimme
Auch dein Herz
ist aus Reibeisen
testsiegerin - 27. Okt, 19:52
Lieber Tod,
lieber schreib ich ja Briefe ans Leben, aber heut hab ich mit dir ein - nein, kein Hühnchen, ein riesiges Malaienuhn hab ich mit dir zu rupfen. Das ist die größte Hühnerrasse der Welt, aber das ineressiert dich wahrscheinlich nicht.
Eigentlich sollte ich ja „Verdammter Tod“ oder „Scheiß Tod“ in der Anrede schreiben, aber erstens bin ich ein höflicher Mensch und zweitens hatte ich Angst, dass du die Zeilen nicht liest, wenn ich dir zu schroff gegenübertrete. Obwohl du ja auch nicht grad diplomatisch daherkommst.
Was denkst du dir im Moment eigentlich? Dass du - nur weil in ein paar Tagen Allerheiligen ist – schnell noch ein paar Menschen hinwegraffst, damit die Gräber voll sind? Denkst du dir eigentlich überhaupt etwas dabei? Weißt du, hab das Gefühl, du wütest grad ziemlich wahllos herum. Wahllos und ungerecht. Du brauchst mich nicht zu unterbrechen jetzt, ich weiß, weder das Leben ist gerecht, noch du bist es. Und früher oder später kommst du zu jedem. Aber warum so früh?
Warum nimmst du einer lieben Bekannten ihren 42-jährigen Sohn, noch dazu mit Lungenkrebs, obwohl der gar nicht geraucht, sondern nur Klavier gespielt hat? Warum?
Warum nimmst du überhaupt Müttern ihre Kinder? Warum meiner Tochter eine ihrer liebsten Schulfreundinnen? Weißt du, was das für ein Scheiß-Gefühl ist, die Trauer von jungen Menschen zu spüren. Weißt du, wie hilflos und ohnmächtig wir uns dir gegenüber fühlen? Macht dich das eigentlich an?
Einer 16jährigen kann man noch nicht mal erzählen, deine Freundin ist jetzt im Himmel. Sie würde es nicht glauben. Und an einen Gott, der so etwas zulässt, glaubt sie sowieso nicht. Wie, verdammt noch mal, soll ich sie trösten? Wie soll ich ihr helfen zu verstehen, wenn ich selbst nicht verstehe?
Ich weiß, die Fragen sind sinnlos, weil man von dir eh keine Antwort kriegt. Aber die Fragen sind trotzdem da. Weißt du, Kinder sollen leben und nicht sterben. Sie sollen tanzen und singen und nicht weinen und Mozarts Requiem hören. Ich kenn deine nicht gesagten Antworten ohnehin, lieber Tod. Du würdest jetzt sagen, das Leben und du, ihr seid ein Paar, ihr gehört zusammen und tretet auf der Bühne immer gemeinsam auf – und ab. Du würdest sagen, es gibt eben eine Zeit zum Blühen und es gibt eine zum Vergehen. (Das hab ich ja letztens schon mit den Bäumen besprochen) Eine zum Lachen und eine zum Weinen.
Trotzdem. Was steckt da für eine Botschaft dahinter, die ich nicht lesen kann? Außer vielleicht die, dass wir leben sollen, solange wir es noch tun? Dass wir seifenblasengroße Probleme nicht auf Heißluftballongröße aufblasen sollen? Ist es das, was du mir damit sagen willst? Gut, ich habs kapiert, aber richte bitte dem Leben aus, so etwas soll es mir persönlich sagen und nicht durch dich diese Nachricht überbringen lassen.
Vor einiger Zeit hat eine Frau im Pflegeheim zu mir geseufzt: „Wenn ich nur sterben könnte. Warum darf ich noch nicht?“ Ich habe ihre Hand gehalten und gesagt: „Weil es noch nicht so weit ist. Es gibt eine Zeit zum Leben und es gibt eine zum Sterben.“ Du hast mir diese Worte in den Mund gelegt, oder?
Warum, lieber Tod, machst du in solchen Fällen so einen Umweg, winkst nur von weitem und holst erst noch ein paar Jüngere zu dir? Weil du dich gern mit ihnen umgibst?
Ziemlich egoistisch, findest du nicht? Wir umgeben uns nämlich auch gern mit denen.
Heulen könnte ich. Und das tu ich jetzt auch.
Tschüs, du. Und hoffentlich nicht bis bald.
Deine Barbara
testsiegerin - 25. Okt, 12:33
testsiegerin - 23. Okt, 20:30
Im ruppigen Wald
steht sie
und lässt sich
den rauen Wind
ins Gesicht blasen
frei willig
heult sie mit den Wölfen
und wartet
Seit Tagen
und Nächten
steht sie da
betrachtet die dünnen Härchen
auf den Unterarrmen
und wartet
Vielleicht
denkt sie
kommt eine frostige Nacht
vielleicht muss ich
nur noch ein bisschen
fester frieren
bis es endlich
zu wachsen beginnt
das dicke Fell
testsiegerin - 20. Okt, 22:11
Liebe Bäume und Pflanzen,
Wieder einmal lasst ihr die Zweige hängen und Blätter fallen.
Warum wehrt ihr euch nicht gegen den Herbst? Warum lasst ihr zu, wie Blüten und Früchte von euch abfallen und eure schönen grünen Blätter braun werden und verwelken? (Ja, ja, ich hab schon gesehen, dass ihr sie vorher noch rot und gelb und violett und orange anmalt.) Ihr seid doch stark, vor allem im Frühling und im Sommer, warum werdet ihr jetzt so schwach? Schämt ihr euch denn gar nicht?
Ja, ja, zuckt nur die Äste. Das ist auch eine Antwort.
Es tut gut loszulassen, nach der Fülle und Last der letzten Monate wieder frei und leicht zu werden, sagt ihr. Ihr wollt nicht besitzen, sondern schenken. Aha. Uneigennützig auch noch.
Aber woher wollt ihr wissen, dass ihr im nächsten Frühling wieder treibt?
Ihr wisst es nicht, ihr hofft nicht mal, ihr nehmt das Leben, wie es kommt, und wenn der Tod kommt, dann nehmt ihr ihn auch.
Wisst ihr, eure Herbstmetapher geht mir schon auf den Arsch. Jahr für Jahr erzählt ihr mir den gleichen Schwachsinn, von der Freude am Loslassen und an der Veränderung. Mit eurer verdammten Gelassenheit wollt ihr mich animieren, es euch gleich zu tun und die Vergänglichkeit einfach hinzunehmen. Aber merkt ihr, dass euch das nicht gelingt? Oder nur hin und wieder?
Merkt ihr nicht, welchen Stress ihr mir damit macht, weil ich ständig euer leuchtendes Beispiel vor Augen habe und mich im Vergleich dazu noch mehr als Versagerin fühle als ich es ohnehin schon tue? Weil Veränderungen für euch so leicht scheinen und für mich so schwer sind? Weil mich graue Strähnen, Abschiede und Falten beunruhigen und der Verlust von etwas, das ich liebe, mir solche Angst macht.
Deshalb ein Vorschlag in Güte. Wir machen einen Deal.
Nächstes Jahr lasst ihr die Blüten, Früchte und Blätter einfach drauf und tut so, als ob nichts geschehen wäre. Geht das? Ihr würdet mir damit auch ersparen, Tonnen von Birnenkompott zu kochen, Nüsse zu knacken und euer welkes Laub rechen zu müssen.
Ich werde im Gegenzug Veränderungen einfach akzeptieren oder mich mit ihnen arrangieren. Ich werde, was immer das Leben mir schenkt oder wegnimmt, dankbar nehmen oder gelassen nehmen lassen. Zumindest werde ich es versuchen.
Ihr müsst nicht sofort antworten, überlegt euch meinen Vorschlag einfach in Ruhe, gut? Jetzt habt ihr dann ohnehin Zeit zum Nachdenken.
Wenn ihr das mit dem Festhalten hinkriegt, dann krieg ich das mit dem Loslassen auch hin. Versprochen.
Eure Barbara
testsiegerin - 19. Okt, 11:31
Und überhaupt ist es nicht schlimm, dass der Bernhard Kohl sein getupftes Leiberl zurückgeben muss. Das sah sowieso voll peinlich aus und stand ihm nicht.
(zitiert by Dr. Blubb)
Wie schön, dass weingstens unsere Fußballer ziemlich sicher ungedopt durchs Leben gehen.
(zitiert by Testsiegerin)
testsiegerin - 15. Okt, 21:23
Der Schmetterling in ihrem Bauch
entpuppte sich
als graumelierter Dickkopffalter
Eingesponnen in einen Kokon aus Kälte
lag er schwer im Magen
Sein Herzblut
- eben noch die Herzkammern geflutet
in ihrem Becken pulsiert
ins Hirn geströmt
- jetzt ein Gerinnsel in den Beinvenen
Einst lustvoll
Begehren in ihren Leib gekrallt
ihn gestreichelt mit Worten und Lippen
später sich wie eine Milbe in ihre Haut gegraben
und das System geschwächt
Den Parasiten abgeschüttelt
wippt das Becken
endlich
wieder im eigenen Rhythmus
flattern Orchideenschwärmer
in ihre Freiheit
testsiegerin - 14. Okt, 21:47