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Mittwoch, 22. Januar 2014

F wie Freitagstexter

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Ich bin völlig überwältigt von meinem neuerlichen Triumph (Testsiegerin halt).

Regeln erkläre ich auf Rückfrage gerne, gehe allerdings davon aus, dass sie bekannt sind.

Nachdem Katzenfotos sich im Internet ja ungemeiner Beliebtheit erfreuen, nehmen wir dieses hier:

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Also dichtet, textet, reimt, fantasiert...

Ich such mir dann das aus, das mir ganz objektiv am besten gefällt. Und meine Co-Jurorin wird mich bei meiner Entscheidung begleiten.

Sonntag, 19. Januar 2014

K wie ...

Ich habe in beinahe jeder Jackentasche eine. Und in meiner Handtasche viele. Nein, keine angeschnäuzten Taschentücher, die beginnen ja nicht mit K. Auch keine Kondome. Keine Kirschen, denn die wären irgendwann geschimmelt. Kleingeld ja, aber das meine ich nicht, das haben viele Leute in ihren Jackentaschen.

Ich habe da Kastanien. Natürlich nicht irgendwelche Kastanien. Ganz besondere. Eine aus Paris, aus 2009 – oder war es 2008? Eine aktuelle aus Dänemark. Eine aus 2012 aus Strobl am Wolfgangsee.

Kastanien bringen Klück. Mir zumindest. Ich bin ja so ein haptischer Typ, müsst ihr wissen. Ich kann an keinem Markt vorbeigehen, ohne in den Linsen und Käferbohnen zu wühlen (man liebt mich auf Märkten), ich lege im Büro die Hand auf die Kaffeemaschine, während die den Kaffee mahlt, ich streiche über jeden Stoff, den man mir anbietet. Ich muss Dinge be-greifen, bevor ich sie be-schreiben kann.

Ich liebe es, wie sich frische Kastanien anfühlen. Wie glatt und braun und individuell, wie unterschiedlich in Form, Oberfläche, Gewicht und Farbe. Nun werdet ihr – nicht ganz zu unrecht – anmerken, dass sich eine Pariser Kastanie aus dem Jahr keineswegs mehr frisch, glatt und schwer anfühlt, sondern verrunzelt, hohl und vertrocknet.

Was ihr aber nicht wisst: Wenn man sie ans Ohr hält und schüttelt, knubbelt es. Dann hört man die Kastanienbäume flüstern. In diesem Fall singen sie ein französisches Chanson.

Einmal, vor vielen Jahren, als das Wünschen noch geholfen hat, hat meine Tochter mich dabei beobachtet, dass ich eine Kastanie aufhebe, sie erst durch meine Finger und dann in meine Jackentasche gleiten lasse. „Was tust du da?“, hat sie mich gefragt.
„Die erste Kastanie, die ich jedes Jahr finde, stecke ich ein, sie bringt mir Glück.“

Ihr müsst wissen, ich bin keineswegs abergläubisch. Es ist allerdings wissenschaftlich nachgewiesen, dass mir die Kastanien Glück bringen. Ich bin absolut glücklich in meinem Leben, ich bin von Menschen umgeben, die ich liebe, und ein paar davon lieben mich auch, ich habe einen Beruf, der mir immer noch Berufung ist, das Leben (oder die Kastanienbäume) haben mich mit ein paar Talenten gesegnet, ich genieße das Leben und bin wirklich glücklich. Meistens zumindest. Jetzt wisst ihr auch, warum. Die Kastanien...

Seit meine Tochter weiß, dass ich die ersten Kastanien jedes Jahres einstecke und ein Jahr bei mir trage, schenkt auch sie mir jedes Jahr die erste Kastanie, die sie findet. Und ehrlich, könntet ihr die erste Kastanie aus Paris, der Stadt der Migräne, einfach so wegwerfen? Oder die erste Kastanie des gemeinsamen Kurspaziergangs? Die erste Kastanie, die sie in Dänemark für mich aufgehoben hat, obwohl ihre Gedanken und Gefühle im Land, in dem sich Dänen wähnen, ganz sicher nicht bei knubbelnden Kastanien für ihre Mutter waren?

Außerdem... die ersten Kastanien sind nicht irgendwelche Kastanien. Sie erzählen Geschichten. Unter ihrer Schale bewahren sie Geheimnisse auf, die knubbeln, wenn man sie ans Ohr hält. Aufregende Geheimnisse sind das. Aber weil es Geheimnisse sind, darf ich sie nicht verraten.



Nachtrag: I und J täten noch fehlen.

Freitag, 17. Januar 2014

G wie ...

Ich hab ihn nicht gefunden, den G-Punkt. Wie aber über etwas schreiben, das man nicht gefunden hat, das es vielleicht gar nicht gibt. Obwohl... andere schreiben dicke Bücher über Gott und da bin ich mir auch nicht sicher, ob es den überhaupt gibt. Ich bin mir eigentlich sogar ziemlich sicher, dass es ihn nicht gibt. Aber ich bin tolerant genug, denen, die glauben, dass es ihn gibt, ihren Glauben zu lassen.


Gurken gibt es definitiv. Erst letztens hat jemand, als ich ihm den Parkplatz weggenommen hab, gebrüllt: „Du blöde Gurke!“
Ich weiß nicht, warum Gurken blöd sind. Vermutlich sind sie nicht dümmer (siehe D wie Dummheit) als Paradeiser oder Melonen. Zuckermelonen sind übrigens eng mit Gurken verwandt. Obwohl eines in die Familie der Öbster und das andere in die Familie der Gemüser gehört.

Ich bin also eine blöde Gurke. So nennt man eine etwas einfältige Frau. Ich bin aber nicht einfältig, das war ich mal, ich bin vielfältig, oder wenigstens vielfaltig.

Ich habe also mit meiner Gurke (so bezeichnet man ein nicht sehr rasant fahrendes Auto) dem Mann mit der Gurke im Gesicht den Parkplatz weggenommen. Später bin ich dann ziellos durch die Gegend gegurkt und hab nachgedacht. Über Gurken und so. Übers Leben. Über Krümmungen im Leben und bei Gurken, und warum es eine Verordnung gibt, die die Gurkenkrümmung regelt, aber zulässt, dass das Leben sich hierhin und dorthin krümmt.

Mein erstes Handy war übrigens auch eine Gurke. Dabei war es nicht grün, sondern gelb. Aha. Ich habe eine Erkenntnis. Eine Gurke ist alles, was unförmig ist. Ein unförmiges Auto, eine unförmige Nase, ein überdimensionales Telefon. „Blöde Gurke“ hat der Typ zu mir gesagt... Darüber muss ich noch mal nachdenken. Vielleicht am Würstelstand, wenn ich mir eine Wurstsemmel mit Extrawurst und Gurkerl kaufe.

Dem Essiggurkerl war übrigens sogar eine eigene Ausstellung gewidmet: http://sbgv1.orf.at/stories/458284. Weil das Essiggurkerl ein fixer Bestandteil unserer Kultur ist. Ich hol das Gurkerl ja ganz ordinär mit zwei Fingern aus dem Gurkenglas. Es gibt aber einen eigens entwickelten Gurkenlift. Von Tupperware. Ah ja, das war ein Neujahrsvorsatz von mir. Das erste Mal im Leben auf eine Tupperparty zu gehen. Vielleicht kauf ich dann einen Gurkenlift.

Kennt ihr eigentlich Gurkerlflieger? Die können nicht mal fliegen.


Das Gurkerl ist übrigens auch ein fixer Bestandteil im Fußball. (Erklärung: ein zwischen den Beinen des Gegners durchgeschossener Ball - als besonders demütigend gilt im Amateurfußball das „angekündigte Gurkerl“)
Was wollt ich noch mal sagen? Keine Ahnung. Ich geb mir jetzt die Gurke.

Mittwoch, 15. Januar 2014

A wie Apfel

„Stell dir mal vor“, sagt der A. bei unserem wöchentlichen Abendessen, „ich hab einen Apfelbaum.“
„Aber du hast ja nicht mal einen Garten“, werfe ich Worte und den Gruß der Küche ein, „wie kommst du zu einem Apfelbaum?“
„Du sollst dir das ja nur vorstellen“, sagt A. und ich stelle mir also seinen Apfelbaum vor, ohne Garten. „Der Apfelbaum wirft Äpfel ab“, fährt er fort und auch das stelle ich mir vor. „Wenn ich mehr Äpfel habe, als ich selber essen kann, und jemand, den ich mag, mag gern Äpfel, dann schenke ich eben einen Kübel her“, sagt er.
„Ja, das kenn ich“, nicke ich, denn ich hab einen Birnenbaum, der regelmäßig mehr abwirft, als ich brauchen kann. Obwohl man Äpfel bekanntlich mit Birnen nicht vergleichen kann.
„Die Leute nehmen den Kübel mit den Äpfeln und backen Apfelkuchen und freuen sich und als Dank bringen sie mir ein Stück Apfelkuchen mit, und ich freue mich, obwohl ich keinen Dank dafür brauche, weil mir ihre Freude Dank genug ist.“
Ich nicke wieder, denn ich habe den Mund grad mit der geräucherten Forelle auf Wildkräutern voll, und frage mich, warum A. sich grad so intensiv mit Äpfeln beschäftigt.
„Überlegst du dir, ein Apfelbäumchen zu pflanzen?“, frage ich, als ich geschluckt habe.
„Wenn die Leute sich bei Äpfeln so normal verhalten, warum werden sie dann beim Geld so komisch?“, fragt A., sich und mich. „Was ist der Unterschied zwischen Äpfeln und Geld.“
Ehe ich meine rudimentären Biologiekenntnisse loswerden kann, erzählt er
von seiner Kollegin K., die er mag, als Mensch und als Kollegin, und die so gern eine Ausbildung machen möchte. Sie hat das Talent dafür und die Leidenschaft, das einzige, was sie nicht hat, ist das notwendige Geld. „Und wenn einer mehr von etwas hat, als er brauchen kann, jemand anderer aber weniger, als er brauchen würde, ist es dann eigentlich nicht das normalste auf der Welt, ihm das einfach zu geben?“
„Nun ja“, sage ich und das Kalb zergeht wie Butter auf meiner Zunge.

Er erzählt mir, dass er Angst hat, K. das Geld für die Ausbildung anzubieten, weil er befürchtet, es würde sich alleine durch dieses Angebot etwas in ihrer kollegialen Beziehung verändern, und das möchte er nicht. Er will kein Machtgefälle, er will nicht, dass sie sich unterlegen fühlt und klein, weil sie sich die Ausbildung nicht leisten kann. Er will nicht, dass sie glaubt, sie müsse sich dafür irgendwie erkenntlich zeigen. Er will sich nicht in dem Glanz sonnen, ein großzügiger Gönner zu sein. Und drum weiß er nicht, wie er ihr sagen soll, dass sie sich bitte einfach für die Ausbildung anmelden soll, ehe verstrichen die Frist.
„Biete ihr einen nicht rückzahlbaren Kredit an“, schlage ich beim geschäumten grünen Apfel im Glas vor, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass kaum jemand Schuldgefühle hat, Geld von einer Bank anzunehmen, auch wenn er es nicht zurückzahlen kann.

Er hat Recht, wir Leute sind komisch, wenn es um Geld geht.

A. lädt mich jede Woche zum Essen ein, seit ein paar Jahren. Ich genieße seine Gesellschaft, unsere Gespräche und das feine Essen. Nie gibt er mir das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein, es ist eine Essbeziehung auf gleicher Augenhöhe. Beide nehmen und geben wir. Aufmerksamkeit. Geschichten. Lachen. Nähe. Dank will er nicht und er freut sich wie ein kleines Kind, als eine Freundin meiner Tochter, die er zu deren Geburtstag zum Essen ausführt, beim Abschied nicht artig „danke“ sagt, sondern „ich schätze dich wert, A.“ Und zwar nicht wegen der Einladung, sondern einfach so.

Wenn ich über A. und unsere gemeinsamen Essen erzähle, passiert es immer wieder, dass Menschen mutmaßen, er würde mich nur ins Bett kriegen wollen (das wäre mittlerweile eine ziemlich teure Angelegenheit) oder aber, ich wäre berechnend und würde mich von ihm aushalten lassen. Dass wir einfach eine Freundschaft haben, in der jeder gibt, was er kann, verstehen die wenigsten.

Mit Äpfeln wäre alles ein bisschen einfacher.

Dienstag, 31. Dezember 2013

Erste Male

Die ersten Male werden weniger im Leben, wenn die Jahre mehr werden. Aber so wenige dann doch auch nicht. Hier ein Auszug aus meinen ersten Malen im vergangenen Jahr (ein paar hab ich unter den Tisch fallen lassen)

1) Begonnen, täglich „Forscherinnentagebuch“ zu schreiben und das bis auf wenige Tage durchgehalten.
2) Premiere von „Und Wartet“
3) Das erste Mal mit der Theatergruppe auf einer richtigen Bühne gestanden. Dabei eine Szene in der Disco als Kasperltheater improvisiert.
4) Das erste Mal im Steirereck essen gewesen. Sieben Gänge mit Weinbegleitung. Ein Gaumen-, Augen-, Nasen- und Seelenschmaus.
5) Mit einer großartigen Künstlerin gemeinsam einen Kalender gemacht, der mich stolz und glücklich macht.
6) Bei einer Schulung eine total vernichtende Kritik bekommen und sie überlebt.
7) Bei einem Fitnesscheck eine vernichtende Kritik bekommen und sie ebenfalls überlebt.
8) Mit meiner Tochter als Begleitperson den Führerschein gemacht und überlebt.
9) Ein Brotbackbuch gekauft und Honig-Lavendelbrot gebacken. Überhaupt ist der Lavendel mein Kraut des Jahres 2013 geworden. (Mein Mantra: Ich wandere mutig und frei durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme.)
10) Kein einziges Mal am Bankomat gelesen „Limit erschöpft“.
11) In Barcelona die Sagrada Familia besucht und Pimientos gegessen.
12) Einen Wikinger in meinem Haus zu Gast gehabt, der mein Kind glücklich macht.
13) Wochenlang mit einem verletzten Kater auf der Brust geschlafen.
14) Einen dreibeinigen Kater gestreichelt.
15) Einen Anruf von einem Mann bekommen, der meinen Kalender gekauft hat und mir danke sagen wollte, weil die Texte ihn so berühren.
16) Am 31.12. über die ersten Male in diesem Jahr nachgedacht.


Und eure ersten Male?

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Boogie und Neonlicht

Vor Jahren habe ich ein älteres, glücklich wirkendes Ehepaar gefragt, was denn das Geheimnis ihrer langen Ehe sei. „Es ist zu spät, etwas Neues anzufangen“, hat sie gesagt und gelacht und er: „Ich kann mir eine Scheidung nicht leisten.“

Mich fragt ja niemand, aber ich sag es trotzdem: Das größte Geheimnis, und zugleich die schwierigste Übung ist, den anderen Sein zu lassen. Seins zu lassen. Und trotzdem zu lieben.

„Ich liebe dich, weil...“ ist eigentlich ein Ich-bin-verliebt-in-dich, weil ich mich in dir spiegle. Ich bin verliebt in dich, weil du mich ergänzt, ich bin verliebt in dich, weil du über meine Witze lachst, obwohl ich immer die Pointen vergesse und weil du mir das Gefühl gibst, der großartigste Mensch auf der Welt zu sein, intelligent, wunderschön und liebenswert. Ein Engel, der vom Himmel gefallen ist. Ich bin verliebt in dich, weil du mich begehrst und nichts an mir auszusetzen hast.

Weil "die Hormone Boogie-Woogie tanzen" (Woody Allen) und ihre erwünschte Nebenwirkung – oder Hauptwirkung die ist, uns auf der Stelle erblinden zu lassen, lache auch ich über deine Witze, obwohl sie schlecht sind, ich finde dich anbetungswürdig und deine Chipsringe um die Hüften umwerfend attraktiv. Deine verbrannte Ente schmeckt wie ein Aphrodisiakum und ist für mich nicht Kreatur, sondern Kreation. Deine Schlamperei nur ein weiterer Hinweis auf die Leichtigkeit deines Seins.

Obwohl wir uns danach sehnen, dass diese Blindheit von Dauer ist, weil wir gar nicht sehen, sondern im warmen, dunklen Meer dieses Gefühls getragen werden wollen wie im Mutterleib, ist der Tanz irgendwann zu Ende.

Boogie-Woogie macht müde, sogar die Turniertänzer unter den Hormonen. Und während sie trotz Müdigkeit mit geschlossenen Augen Natural Spin Turns vollführen, sich an den Schultern fassen und ständig neue Figuren erfinden, schleichen sich ein paar andere Gesellen auf die Tanzfläche. Die Angst, die uns später weismachen wird, sie habe nur die Kundalini-Schüttelmedidation ausgeführt, die Realität, die nicht mal einen anständigen Linkswalzer hinkriegt und vor allem der Alltag. Er kann von allem ein bisschen, wie ich. Sein Tangoschritt wirkt tollpatschig, bei der Polka gerät er aus dem Takt und für den Samba ist er nicht biegsam genug.

Weil wir das helle Licht, das der Alltag aufgedreht hat, auf der Tanzfläche nicht ertragen, weil es uns die Illusion raubt und weil wir uns an die Blindheit gewöhnt haben, stoßen wir unseren Tanzpartner weg, weil er uns ständig auf die Zehen tritt und ungelenke Bewegungen vollführt. Wir suchen die Boogie-Tänzer, in ihren Kabinen, in der Bar, überall, aber sie sind weg. Obwohl... als unser Blick sich im Blick des Barkeepers verfängt, meinen wir sie in den Augenwinkeln zu sehen. „Darf ich bitten?“ Der Tanz der Hormone beginnt erneut.

Wenn wir aber trotz der Neonlampen auf der Tanzfläche bleiben, wird aus dem Wörtchen weil ein obwohl. Ich liebe dich, obwohl du nicht tanzen kannst. Obwohl du zu wenig Salz in die Suppe tust. Obwohl du immer Recht haben willst und ein Jahr brauchst, bis du die neue Glühbirne hineinschraubst. Vielleicht, damit wir wieder ein wenig von der Blindheit des Beginns haben. Ich liebe dich, obwohl du mich nicht vollständig machst, weil niemand einen anderen vollständig machen kann. Ich bleibe, nicht weil ich Angst habe, alleine zu sein, sondern weil ich allein sein kann, mit mir und in der Beziehung mit dir. Ich liebe dich, obwohl du schnarchst und mir die Schuld gibst, dass die Lichterkette am Christbaum nicht funktioniert. Wahrscheinlich hast du tausend ähnliche Gründe, mich zu lieben.

Die Boogie-Tänzer liebe ich auch immer noch. Aber das ist mein Geheimnis.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Das Weihnachtswunder vom Weinviertel

Ich betrete die Boutique. Die Verkäuferin strahlt mich an. „Kann ich Ihnen helfen?“
„Nein, danke, ich will nur schauen.“ Sie ignoriert meinen Wunsch. „Hier hätten wir ein paar total schöne. Gestrickt aus nepalesischem Kaschmir, von einem arbeitslosen Sherpa handgefertigt. Das Unregelmäßige in der Textur ist kein Fehler, sondern liegt daran, dass sich der Sherpa auf einer Expedition mit französischen Bergsteigern drei Finger abgefroren hat. Deshalb ist er ja nun arbeitslos. Sehen Sie hier, die feinen Applikationen aus Abenteuern, Schneesturm, Konflikten und Hunger. Fair gestrickt.“
Das Strahlen ist ihr während der Erzählung nicht aus dem Gesicht gewichen. Sie strahlt, als hätte sie den Mount Everest bestiegen.
Nein, das Werk gefällt mir nicht. Zu düster für eine Weihnachtsgeschichte. Ich will keinen Hunger und keine Konflikte in meiner Geschichte und schon gar keinen Schneesturm, in dem sich Sherpas Finger abfrieren.
In einer Weihnachtsgeschichte muss es duften, glitzern und klingen, nach verkohlten Vanillekipferln, eisglatter Fahrbahn und einer Massen-karambolage, in der alle überleben und niemandem ein Finger fehlt.
Ich brauche eine Weihnachtswundergeschichte.


Ich schlendere weiter durch den Ort, auf der Suche nach der perfekten Weihnachtsgeschichte. Aber ich finde nur Stress in den Gesichtern der Menschen, an den Ständen gepanschten Punsch und geschmacklose Geschenke. Also wandere ich weiter.

Erst auf dem kleinen Adventmarkt in der Kellergasse finde ich Menschen, die lächeln. Es riecht nach Sternanis, Orangenschalen und Muskat, ich finde wunderschöne Kunstwerke und selbstgekochten Glühwein. Vor allem aber finde ich hier Geschichten. Lebensgeschichten, die mir Kunsthandwerkerinnen freimütig erzählen, wenn ich höflich und interessiert eines ihrer Werke berühre und bewundere anstatt einfach an ihnen vorbeizugehen.

Eine der Künstlerinnen erzählt mir gleich mehrere Lebensgeschichten. Ihre eigene Lebensgeschichte erzählt sie mir, und dass sie mit ihrer Arbeit kaum sich selbst und ihr kleines Kind über die Runden bringen kann, aber dass sie diese Arbeit liebt, mehr als alles andere. Bei dieser Bemerkung zucke ich kurz zusammen. Dann erzählt sie mir die Lebensgeschichte des Ahornbaums, aus welchem das Holz geschnitzt ist, mit dem sie die Schale gedrechselt hat. Schließlich noch die kurze Lebensgeschichte ihres jüdischen Großvaters und die längere ihrer jüdischen Großmutter, die es nach Amerika geschafft hat und als Schriftstellerin die kurze Lebensgeschichte des jüdischen Großvaters aufgeschrieben hat.
Ihre Augen glänzen traurig, und ich weiß nicht, ob es wegen der jüdischen Großeltern ist oder weil ich nach einer halben Stunde die Schale wieder zurücklege ohne sie zu kaufen. Beim nächsten Stand erfahre ich neue Geschichten, und beim übernächsten auch.
Irgendwann kann ich diese traurigen Geschichten und ihr trauriges Gesicht nicht mehr ertragen und ertränke mein Leid in rotem Glühwein.

Genau, in einer Weihnachtsgeschichte müssen Kinder vorkommen, denke ich, als ich durch das Guckloch in einen Weinkeller schaue, in dem die Heilige Familie aus Stroh nachgebaut ist und ein Holzkind in der Krippe liegt. Bestimmt fair gedrechselt.
Ich brauche eine Geschichte über Kinder, denke ich. Oder über ein Kind. Kind, Kitsch und ein Weihnachtswunder.
Da sehe ich einen kleinen Buben ganz allein unter einer Föhre sitzen. Er knabbert an einem Müsliriegel und weint.

*

Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern, was dann über mich gekommen ist. Vermutlich hat sich das Bild des Kellers mit der Krippe mit dem Kind drin tief in mir eingeprägt. Die Worte der Kunsthandwerkerin. Vielleicht war es der Glühwein. Vielleicht aber auch die in Niederösterreich tief verwurzelte jahrhundertelange Tradition, Kinder in Keller zu sperren.

Er ist ungefähr drei und seine Mama ist Künstlerin, erzählt er, als ich ihn an der Hand fasse und mit nach Hause zerre. Ein entzückender Bub, mit schwarzem Wuschelkopf und olivbraunen Augen. Bei mir soll es ihm an nichts fehlen.
Er heißt Samuel, aber ich nenne ihn Adrian, der Name passt besser zu ihm. In den ersten Tagen weint er viel, das verunsichert mich, weil ich wirklich lieb und freundlich zu ihm bin und seine Wünsche erfülle. Er fragt oft nach seiner Mama, obwohl die sich auf dem Adventmarkt nur um ihre Kunden kümmert und ihre Kunst mehr liebt als ihn. Vielleicht ist er einfach zu jung dafür, um zu verstehen, dass ich es nur gut meine mit ihm. Irgendwann wird er mir dankbar sein für diese schöne gemeinsame Zeit, da bin ich mir sicher.

Ich hab ihm unseren kleinen Keller, in dem wir sonst nur Winteräpfel und Kartoffel lagern, liebevoll hergerichtet. Die Tiefkühltruhe habe ich mit einem Tischtuch mit weihnachtlichem Dekor abgedeckt, die Weihnachtslieder aus dem CD-Player übertönen ihr Summen. Er schläft auf dem japanischen Futon, auf dem meine Kinder manchmal geschlafen haben, als sie noch nach Hause gekommen sind. Das ist lange her, sie wollen mit mir nichts mehr zu tun haben, weiß Gott warum.
Die ersten Nächte hat Adrian kaum geschlafen, sondern nur bitterlich geweint. Ich habe ihm deshalb Rohypnol in den Tee gemischt. Dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben, damit er es im Keller gemütlich hat. Sogar den alten Elektrostrahler hab ich in den Keller geschleppt, damit er es schön warm hat. Ein paar Tannenzweige hab ich an der Ziegelwand aufgehängt, und wenn ich bei ihm unten bin, zünde ich Kerzen an und singe Weihnachtslieder mit ihm. Wenn ich dann wieder hinaufgehe, blase ich die Kerzen aus, damit nichts passiert.

Im Gegensatz zu seiner Mama habe ich Zeit für ihn. Ich lese ihm viel vor, am liebsten mag er die Geschichte vom Sherpa Santosh, der auf der Expedition im heftigen Schneesturm fast erfroren wäre, wie seine beiden besten Freunde, und dem die Handschuhe des toten französischen Bergsteigers das Leben und sieben Finger gerettet haben.

Ich koche und backe für ihn. Am Anfang hat Adrian kaum etwas gegessen. Nur die Buchteln, gefüllt mit selbst gemachtem Powidl und mit Vanillesoße dazu haben ihm geschmeckt. Deshalb gibt es jetzt jeden zweiten Tag Buchteln. Spaghetti mag er auch, am liebsten mit Ketchup. Nachts sitze ich oft stundenlang neben ihm und schaue ihn einfach an. Streiche über seine ebenmäßige, zarte, blasse Haut. Kringle seine Locken in meinen Fingern. Adrian ist wunderschön. Ich bin glücklich.

Drei Wochen ist Adrian jetzt schon bei mir. Er weint nicht mehr so oft wie in den ersten Tagen. Wenn ich oben koche, spielt er unten mit den alten Puppen meiner Tochter. Vor allem die Geschichte vom Sherpa Santosh hat es ihm angetan und er spielt sie gerne nach. Die Puppe Laura - eine Negerpuppe mit Kraushaar - ist Santosh, der Sherpa. Aus bunten Decken baut er den Mount Everest, das alte Holzkreuz aus meinem Herrgottswinkel – ich bin eine fromme Frau - dient als Gipfelkreuz. Auf dem Dachboden hab ich noch eine große Schachtel mit kleinen Styroporkugeln gefunden, die dienen Adrian als Schneesturm. Ich muss lächeln, als ich ihn beim Spielen beobachte. Jetzt hab ich doch einen Schneesturm in meiner Geschichte. Der Negerpuppe hat Adrian mit der Bastelschere drei Finger abgeschnitten.

Morgen ist Heiliger Abend. Morgen werde ich mich von Adrian verabschieden. Nein, ich werde ihm nicht weh tun, obwohl es mir schwer fallen wird, ihn gehen zu lassen, denn ich habe den Kleinen in den letzten Wochen in mein Herz geschlossen. Aber es muss sein. Ich bin kein schlechter Mensch, keine Verbrecherin, die einfach so zum Spaß Kinder entführt und im Keller versteckt. Ich bin nur ein Mensch, der auf der Suche war. Auf der Suche nach einer Geschichte. Ich habe sie gefunden.

Ich werde morgen mit Adrian im Keller noch Weihnachten feiern, die Kerzen des kleinen Christbaums anzünden und Stille Nacht singen, wir werden Hühnersuppe und Buchteln mit Vanillesoße essen, mit echter Vanille. Den Sherpa Santosh darf Adrian behalten, als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Auch ein paar Buchteln werde ich ihm in Stanniolpapier wickeln und in den kleinen Rucksack packen, den ich für ihn gekauft habe. Dann werde ich ihn zur Polizeistation bringen, die Klingel drücken und Adrian das letzte Mal an mich.

Ich werde traurig sein, dass er nicht mehr da ist, und gleichzeitig werde ich mich gut und zufrieden fühlen, wenn ich mich am Abend an den Schreibtisch setze und die Geschichte aufschreibe. Eine Weihnachtsgeschichte mit Kind und Vanilleduft und glitzerndem Schnee und Happy End.


Der Titel der Geschichte lautet genauso wie die Schlagzeile der morgigen Zeitung lauten wird: „Das Weihnachtswunder vom Weinviertel.“

Montag, 16. Dezember 2013

Stock ohne Stein

Ich liebe Kettenbriefe, Pyramidenspiele und Schenkkreise. Ich liebe Castingshows und ich liebe Stöckchen. (Mehrfachantworten nicht möglich) Danke, Frau lamamma

1. Winterdepression?
Nein. Nur eine SAD. Eine saisonal abhängige Depression. Das klingt viel trauriger, nicht nach Schneeflocken und Vanillekipferl. Jeden Morgen hockt ein eine schwere Gestalt auf meiner Brust und will nicht runter. Nein, es ist nicht mehr der dreibeinige Kater.

2. Barfuß oder Lackschuh?
Barfuß, aber nur im Bett. Da fühlen sich die Lackschuhe so deplatziert an. Meine High Heels sind nicht lackiert, sondern aus feinstem Kalbsleder.

3. Rotwein oder Weißwein?
Hauptsache gut. Heute im Café Prückl: Was haben Sie für einen Wein? Der Ober: Rot, weiß oder rosé. Glas oder Flasche. Ich so: Passt.

4. Flugzeug oder Bahn?
Definitiv nie wieder Liegewagen mit 5 Fremden. Lieber mit einer Vertrauten im Flugzeug nach Barcelona oder Hamburg. Das war übrigens dank der Flugbegleiterin der schönste Flug.

5. Feminismus?
Selbstverständlich. "Frauen können alles, was Männer können. Auch rückwärts und auf Stöckelschuhen.“

6. Vorbilder?
Meine Großtante. Gütig, gelassen, hilfsbereit, nie gejammert und immer für mich da. Unter anderem hat sie mir beigebracht, Knöpfe anzunähen.
Und Johanna Dohnal. Sie hat mir beigebracht: „Was gehen mich seine Knöpfe an?“

7. Ziele?
Ich wandere frei und mutig durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme.

8. Reisen?
Gern, aber keine Reisefetischistin. Ich kann immer noch mit meiner Fantasie reisen.

9. Glaube?
Ich glaube an die Liebe, das Lachen, die Lust, das Leben, meinen Vater, auch wenn er nicht allmächtig ist und den Schöpfer im Gulasch und der Suppe.

10. Lieblingsfilm?
Nein. Ich kann mich mit mir auf keinen einigen. Black cat, white cat, vielleicht.


Weil ich nicht riskieren will, dass dem Sherpa 17 Finger abfrieren, gebe ich das Stöckchen weiter. Und zwar an katiza, weil ihr ein bisschen Ablenkung vielleicht grad gut tut.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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