Gedichte

Mittwoch, 11. November 2009

Der Letzte

Bei einem Hausbesuch hat mir meine Lieblingsklientin ein paar vollbeschriebene Seiten in die Hand gedrückt. "Allein selber geschrieben", stand links oben in ihrer fast unleserlichen Handschrift.
"Sie sind ja Autorin", sagt sie. "Machen Sie bitte was draus."
"Darf ich das dann auch veröffentlichen?", frage ich.
Sie strahlt. "Aber natürlich."




Er erhebt sich
zur Mitternachtssperrstund
getrieben vom Wirt
und vor Wut
Das Glasschwer alles kruzifix hin
gebrochen
Scherben klirren durch die Nacht
und der wirtslaute Schrei

Es schneit
Bei der Kälte
jagt man keinen Hund
in die sternhagelvolle Wintersnacht
wimmert er
doch das Schicksal hat kein Erbarmen
Der Wirt auch nicht

Morgen Früh
wird er Ordnung in der Gaststube machen
und morgen Abend
wird es frische Gäste
schneien
Gute Gäste
Das Lumpenpack soll draußen bleiben
wird auf der Schiefertafel stehen
unter der Gerösteten Leber

Um die Ecke steht ein G’schmierter
und weiße Mäuse *
reiten mit blauen Lichtern
auf schweren Feuerrössern durch die Nacht

Fast fällt er
Wie der Augustin, denkt er
Alles ist hin
Das ist meine Grabesgrube
Der Doktorzauber wirkt nicht mehr
und sie ziehen dir den
steifen Holzpyjama an
begleitet mit Blasmusik
Oder als Häufchen Asche
in der Urne am Kamin
so denkt er auf seinem letzten Weg
und wankt weiter

Es spukt in seinem Hirn
es spuckt aus seinem Mund
Bier Wein Schnaps
ein Gespenst mit einem Glas Wein
lehnt an der Laterne
und prostet ihm zu
Das ist mein letzter Rausch, sagt er
Imwahrstensinnederwörter

Die letzte Kellerspaßnacht
er/brach
ein später alter Hund
(wie er bei dieser Kälte in die Nacht gejagt)
leckt
die Speibspeise auf
Das ist mein letzer
Rausch, röchelt er und stirbt

Es schneit
Er rutscht am matschigen Leben aus
die Straßenlaterne hält nicht
was sie verspricht

Der Schlüssel passt
nur noch ins letzte Loch
Er schließt die Tür zum ewigen Bund auf
Ja, ich will, lallt er
und ich werde dich lieben und achten
und dir treu sein bisdassderTodunsscheidet


Zu spät erkennt er
hinter dem Schleier der Braut
den Tod


* ein G'schmierter = Polizist
* weiße Maus = Polizist auf einem (weißen) Motorrad

(Marianne W., Barbara L.)

Sonntag, 11. Oktober 2009

Eingehöhlt

Augen knurren raubtierhungrig
durch die satte Nacht
Lippen blitzen gierig wie Hyänen
das Feuer längst entfacht

Krallen sehnen und suchen
den willigen Leib
und der keuchende Krieger
kriecht aufs kochende Weib

Körper dampfen auf Tigerfellen
Lust drängt aus der Haut
und beißt sich
ins feuchte Fleisch der Braut

Im Warm und Nass der Höhle
macht sich Seligkeit breit
Ergießt sich im Raum
und verflüchtigt die Zeit

Dienstag, 28. April 2009

zug um zug

ich will deine weichen stellen
flüsterte er

und sie zog die notbremse

ich brauche niemanden
der mir die richtung
vorgibt
kein leben
auf schienen

sie schob ihn
auf das abstellgleis
geradeaus und hart

dabei wollte er
nur
ihre warmweichen kurven

Freitag, 27. Februar 2009

Aufatmen

zögernd
die anker einholen
auftauchen
aus dem selbst
in die see/lee gerissenen dunkel

neid und leid
karte kompass / nadel
tränen und trauer
über bord werfen

vorsichtig
tag und luft
schnappen und riechen
und schmecken

nicht mehr getrieben sein
sondern
treiben lassen

von wind und wärme

(A.M.See)


Das war's literarisch von A.M.See. Jetzt wird Frau A.M.See in Gestalt von David Ramirer Zeichnungen anfertigen. Und irgendwann gibt es "Das Segel des Loches" in gedruckter Form. Zur Präsentation (voraussichtlich am See) seid ihr selbstverständlich herzlich eingeladen.

Mein besonderer Dank gilt natürlich David Ramirer, der mich mit seiner Klappentextausschreibung erst auf diese Idee gebracht, für mich einen Rippenbruch riskiert und mich mit Bildern vom See und Spaghetti inspiriert hat und an unser gemeinsames Projekt glaubt.

Danke euch allen fürs Lesen, für euer Feedback und die Kritik, die mich ermutigt haben, weiterzumachen, obwohl Frau A.M.See mich mit ihren depressiven Verstimmungen manchmal ganz schön hinuntergezogen hat.

Mittwoch, 25. Februar 2009

Endstation Sehnsucht

Wenn der Sommer
nur noch siecht
Die „MS Kaiserin Elisabeth“
die letzten Gäste
ausspuckt

und die Weite des Wassers
mit voller Wucht
auf die Enge in ihrer Brust
prallt

sehnt sie ein Ende herbei

Wenn die letzten Gäste
den späten Wein
kauen und ausspucken
anstatt ihn zu trinken

und der See
die aufgeschwemmten Leichen
des langen Sommers
anschwemmt

spuckt sie angewidert
ihr Sehnen
in den Schlamm
und geht nach Hause

Leben


(A.M.See)

Sonntag, 22. Februar 2009

Donna Quijote

Ihr Leben
im Widerstand

La Resistance
haben die wenigen Freunde sie genannt
Seewinkler Resistance

Ihre Landkarte
ein Schlachtfeld
belagert von General Schuld
besetzt vom Dunkel der Nacht

Immer dagegen angekämpft
meistens vergeblich

Und jetzt
zum ersten Mal
mitten in ihrem Leben
mitten in ihrer Heimat
kämpft sie
für etwas

für die Erhaltung
der alten Windmühle
im Ort

(A.M.See)

Die Podersdorfer Windmühle ist die größere der beiden letzten Windmühlen in Österreich

Dienstag, 17. Februar 2009

Heiße Luft

An diesem Morgen im Mai
nach dieser Nacht im Yachthafen
malt sie einen leuchtenden Heißluftballon
in den Postkartenhimmel
(für die Touristen gemacht) -
mit dem Pinsel aus Glück
und Marderhaar

Minuten der Freiheit
und Unbeschwertheit

An diesem Mittag im Mai
hängt sie -
mit dem Stift aus Kohle
und Misstrauen -
Ballast an den Korb
und schaut ihm beim
Sinken zu

(A.M.See)

Donnerstag, 12. Februar 2009

Staub zu Staub

Keinen Staub aufwirbeln
steht in unsichtbaren Lettern
auf der Ortstafel von Frauenkirchen
und jeder hier weiß
Verstoße werden strengstens geahndet

Keinen Staub aufwirbeln
steht in den Gesichtern
der Frauen
die in der Tracht
aus Kittelschürze, Kummer,
Kopftuch und Gram
den Gehsteig kehren

Keinen Staub aufwirbeln
steht in den Augen
der Männer
wenn wieder einer von ihnen
besoffen und heldenhaft
in die Mauer
vom Serbenfriedhof rast

Irgendwann
krachen die Lügengebäude
zusammen

hofft sie
die frisch gestrichenen
und die alten, verfallenen


Irgendwann
wachsen hier noch Luftschlösser

Sonntag, 8. Februar 2009

Falsche Hoffnung

Wohin fliegen die Störche, Großmutter?

Nach Südafrika
Dort hat es im Winter Sommer
und ein Kap der guten Hoffnung


Nachts heimlich
den Finger auf den Globus
und den Pass in den Rucksack
gelegt

Johannisburg
schlottern ihre Knie
am Bahnhof von Eisenstadt
und das Sparschwein stirbt

Nach dreimal Umsteigen
vier Wurstbroten
und dreißig Stunden Fahrt
zwischen Heimweh und Sehnen
endlich ankommen

Warum ist es so kalt
in Südafrika?

fragt sie den Bahnhofsvorstand
von Pisz
Wo sind die Störche
und wo die Hoffnung?



A.M.See

Johannisburg (=Pisz) ist eine Kreisstadt in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren (im Nordosten Polens) mit etwa 19.400 Einwohnern

Freitag, 6. Februar 2009

Schatten

Gott hat ihn zu sich geholt
salbt der Pfarrer
dabei waren es Tod und Sturm

Sie sehnt sich
hinter den schwarzen Schleier
der wehklagenden Witwe
an seinem Sarg
bedeckt mit Segeltuch

Heimlich geliebt und gefickt
gelitten und gestritten
verziehen und versöhnt
Heimlich getrauert auch

Kein Mit-
kein Bei-
nur Leid

Reserviert
steht auf ihrem
Platz im Schatten

(A.M.See)

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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