Glosse

Sonntag, 6. Juni 2010

Abspecken

„Na Frau Müller, wie geht’s?“
Der Sachbearbeiter der Bundesagentur für Arbeit lächelte überheblich. Er genoss die neue Macht, die er hatte. Seit kurzem durfte er Leistungen an Arbeitslose vermehrt nach eigenem Ermessen verteilen und war nicht mehr durch gesetzliche Vorgaben gebunden.

Ingrid Müller schwieg und kramte nach einer Zigarette.
„Tun’s die Zigarette weg, Frau Müller“, meint er, „in öffentlichen Gebäuden ist rauchen verboten. Und so lange sie sich noch Zigaretten leisten können, scheinen Sie ja nicht am verhungern zu sein.“

„Bitte“, presste Ingrid Müller heraus, „wegen der Kinder.“
Sie fühlte sich gedemütigt. Die Frau Bundeskanzlerin wollte das so, weil man bei den Sozialmissbrauchern angeblich am meisten einsparen konnte. Frau Merkel wollte es sich schließlich nicht mit den Mächtigen anlegen, mit denen trank sie lieber Champagner. Hatz 4 – Bezieher waren da wesentlich pflegeleichter. Außerdem waren die schließlich schuld an der Banken-Krise. Hatten Konten mit nichts drauf und keine Aktien, an denen die sich bereichern konnten.

„Tut mir leid“, sagte der Sachbearbeiter, „wir müssen jetzt sparen. Sie wissen schon, wegen der Krise. Und seien wir uns ehrlich, die Kinder brauchen wirklich nicht jeden Sonntag ein Eis. Und Ihnen“, sein Blick wanderte von ihren Brüsten zu ihren Hüften, „Ihnen täte ein wenig abspecken auch nicht schaden.“

Ingrid Müller strich ihren Rock glatt und stand auf. „Nun dann...“
„Ich hätte da schon noch eine Idee“, rieb der Sachbearbeiter sein kantiges Kinn. „Es liegt ja nun in meinem Ermessen, seit sie die Gesetze für Sozialschmarotzer abgeschafft haben. Ich könnte Ihnen gern ein bisschen entgegenkommen, wenn Sie mir auch ein bisschen entgegenkommen. Der Sommer soll sehr feucht werden, und Sie brauchen ja noch Gummistiefel für die Kinder, oder?“
Ingrid Müller nickte. „Wie meinen Sie das?“, fragte sie arglos.
Der Sachbearbeiter stand auf und öffnete langsam den Reißverschluss seiner Hose. „Es liegt in meiner Hand, murmelte er, „ob Ihre Kleine weiterhin Blockflöte lernen kann. In meiner Hand...“, er grinste süffisant, „... und in Ihrem Mund.“


Sie würde nicht in die Knie gehen, dachte Ingrid Müller und presste die Lippen aufeinander. Sie nicht.
„Na? Ich hab gehört, die Stromrechnung ist auch noch offen?“

Ingrid Müller ging in die Knie.

Und dann biss sie zu.


http://derstandard.at/1271378244941/Der-Sozialstaat-muss-abspecken

Freitag, 5. März 2010

Sippenhaftung?

Die Kandidatur von Frau Rosenkranz für die Wahl zur Bundespräsidentin macht mir Angst. Sie macht mich wütend. Ich halte es für empörend, dass jemand mit ihrer Geschichtsauffassung, mit dem „Wissen, das ein Österreicher, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war, hat“ (O-Ton) für das höchste Amt im Staate kandidieren darf. Vor allem jemand, der das Verbotsgesetz in Frage stellt.

Ich finde es ein katastrophales Zeichen, dass die Bundespräsidentenwahl zu einer inoffiziellen "Volks"zählung der Rechten im Land wird.
(Bedenklich finde ich aber auch, dass neben der erwarteten direkten Wahlempfehlung der rechtsextremen NVP auch der Klubobmann der Niederösterreichischen ÖVP eine – wenn auch indirekte - Wahlempfehlung für Frau Rosenkranz abgibt. Was hoffentlich für einige WählerInnen die ÖVP für die Landtagswahlen nächste Woche unwählbar macht.)

Weil ich nicht nur im selben Bundesland wie die „heimattreue“ Frau Rosenkranz wohne, sondern auch im selben Bezirk, sind mir ihre krausen Theorien und Ansichten nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren vertraut. Sie und ihr rechtsextremer Mann, der sich gern mal drei Bier bestellt, sind hier keine Unbekannten. Natürlich, es gibt keine Sippenhaftung, man kann sich seine Verwandten nicht aussuchen. Seinen Ehemann aber schon. Und sie findet ja an seinen Aussagen "nichts Ehrenrühriges."

Gerne hätte ich jetzt einen bissigen Artikel geschrieben, vielleicht mit einer flapsigen Anspielung auf die Ähnlichkeit zu Familien, die die FPÖ am liebsten des Landes verweisen würde. Nämlich Familien mit arbeitslosen, vorbestraften Männern und einer riesigen Kinderschar. Ich ertappe mich sogar dabei, wie ich in die zynischen Mutterkreuz-Sager einstimme.

Wie geht’s jetzt wohl den Kindern von Frau Rosenkranz, fragt meine Tochter mich. Sie geht mit einigen von ihnen in die selbe Schule und kennt sie persönlich. Das muss doch schlimm sein, wenn die solche Sachen in der Zeitung lesen und alle über ihre Mutter schimpfen und sich ständig über ihre Namen lustig machen. Die können doch nichts dafür. Die, die ich kenne, teilen die politische Einstellung ihrer Eltern überhaupt nicht, aber es sind halt trotzdem ihre Eltern. Die werden sie wohl auch liebhaben wie ich dich. Wir haben ja auch nicht immer die selbe Meinung, oder? Ich kann mir vorstellen, dass denen das total weh tut, sagt mein Kind. Die können ja nicht mal auf Facebook surfen, ohne blöd angemacht zu werden.

Ich schlucke. Halte inne und werde ganz kleinlaut. Meine politische Meinung über diese Frau und ihren Mann und meine Überzeugung, dass Widerstand hier Pflicht ist, die ändere ich nicht. Aber ich denke nach. In meinem Hirn formen sich viele Fragen.
Wenn ich Antworten gefunden habe, melde ich mich wieder.
Wenn nicht, auch.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Hansi Maier ist frei!

Der 35jährige mehrfache Raubmörder Hansi Maier (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) ist frei. Wie sein Anwalt bestätigt, ist sein Mandant am Freitagabend aus der Haft entlassen worden, das Verfahren wurde eingestellt. Grund hierfür ist ein weiterer Raubmord. Hansi Maier (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) erwürgte den zuständigen Staatsanwalt, nachdem er aus der Garage dessen Villa einen italienischen Sportwagen gestohlen hatte. Der Untersuchungsrichter und sein Toyota kamen mit dem Schrecken davon. Als Folge des Verbrechens wurden sämtliche gegen Hansi Maier (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) laufende Verfahren eingestellt.
Die Ermittlungen gegen Hansi Maier (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) hatten bereits vor einigen Jahren begonnen, zunächst wegen Diebstahls, Einbruch und versuchter Geiselnahme. Später weitete die Behörde die Ermittlungen wegen mehrerer bewaffneter Raubüberfälle aus. 2007 wurden die Ermittlungen eingestellt. Hintergrund war die Drohung von Hansi Maier (für ihn gilt die Unschuldsvermutung) nicht zu kooperieren und weitere Menschen umzubringen.

"Nicht länger im öffentlichen Interesse"

Die Staatsanwaltschaft bestätigt unterdessen die Einstellung des Verfahrens gegen Hansi Maier (f.i.g.d.Uv.). Unter Verweis auf den Deal habe man entschieden, "dass es nicht länger im öffentlichen Interesse ist, die Erhebungen gegenüber diese Einzelperson fortzusetzen." Die Anschuldigungen gegen Hansi Maier (f.i.g.d.Uv.) "im Bezug auf bestimmte weitere strafbare Handlungen" würden daher zurückgezogen, teilte die Behörde auf ihrer Homepage mit. Maiers Anwalt habe bereits mit Hansi Maier telefoniert, dieser sei ein freier Mann und müsse auch keine Fußfessel tragen, berichtete der Anwalt.

Als Willkommensgeschenk in der Freiheit wurde Hansi Maier (für ihn gilt immer noch die Unschuldsvermutung, im Gegensatz zu asylsuchenden Kindern, für die kollektiv die Schuldsvermutung gilt) von seinen Society-Freunden aus der Halbwelt eine weiße Weste überreicht. „Die war sehr schwer zu bekommen“, bestätigte der Anwalt, „die gesamte österreichische Politprominenz trägt diese Dinger im Moment.

Wie kann es sein, dass ein Verbrecher aufgrund eines weiteren Verbrechens freikommt?, fragt sich die empörte Öffentlichkeit.
„Ach, das ist durchaus üblich“, lächelt Hansi Maier, schlüpft in die Weste und schießt.


http://derstandard.at/1263706820933/Mensdorff-Pouilly-frei-Verfahren-eingestellt

Samstag, 10. Oktober 2009

Preis.Wert

"Die Nobel-Gang hat gerade einen Selbstmordanschlag auf sich selbst verübt."

So hat Rush Limbaugh (ein Talkshowgastgeber) die Verleihung des Nobelpreises an Barack Obama kommentiert. So ähnlich haben auch die Republikaner mit ihrem zwanghaften Beißreflex reagiert und damit bewiesen, dass konfliktfreie Kommunikation nicht zu ihren Stärken zählt.

Viel zu früh, sagen viele. In der Tat haben sie alle Recht, die Nobelpreisverleihungskritiker - Obama hat bis jetzt nichts Fassbares erreicht. Sein größter Verdienst liegt möglicherweise auch nur darin, einfach das nicht zu tun, was zahlreiche seiner Vorgänger so gern getan haben. Konsequenterweise hätte man den Preis also Obama und Bush gemeinsam verleihen müssen. (Aus dem Standard.at-Forum: „Wenn man einen Koffer wie George W. als Vorgänger hat, dann ist man automatisch eine strahlende Figur der Hoffnung.“)

Viel zu früh?
Willy Brandt hat den Preis 1971 bekommen. Da hatte er auch nicht viel mehr geleistet, als ein bissel in Polen herumzuknien. Die Ostpolitik war damals auch mehr gedacht als getan.
Und auch Bertha von Suttner hat den Friedensnobelpreis hauptsächlich aufgrund ihrer Haltung, ihrer Werte und ihrer Worte ("Die Waffen nieder") bekommen.

Viel zu früh? Wenn man die Hasstiraden gegenüber Obama verfolgt, dann muss man befürchten, dass jeder Tag später „posthum“ sein könnte.

Manche Menschen bevorzugen offensichtlich amerikanische Präsidenten, die mit Schuhen anstatt mit Auszeichnungen beworfen werden. Und bei George Bush wird niemand - nicht mal ein verkappter Kommunist in den Reihen der Nicht-Republikaner - auch nur den leisesten Zweifel daran hegen, dass er sich den Bewurf mit einem Paar dreckiger Latschen als angemessene Würdigung seines Lebenswerkes voll und ganz verdient hatte.

Obama gebührt der Nobelpreis. Weil er den Mut hatte, sich der Wahl zu stellen. Und die Kraft, die republikanischen Zombies aus dem weißen Haus zu vertreiben. Weil er kein zynisches Arschloch ist, sondern den Menschen gibt, was sie am meisten brauchen: Hoffnung.

Samstag, 25. Juli 2009

Rien ne va plus

Die beiden Herren im Casino lassen die Jetons in ihren Händen klappern. „Alles auf Rot?“
„Auf Rot? Spinnst du? Doch nicht auf Rot!“
„Na gut, dann halt auf Schwarz.“ Der Gebrauchtwagenhändler häuft das Spielgeld auf das Feld mit der Aufschrift Rouge.
„Ich glaub, Rouge heißt Rot. Denk ans Moulin Rouge.“ Der Kleine schiebt alles auf Noir. „So. Jetzt ist es richtig.“

Die Kugel rollt.

„Rien ne va plus.“
„Was hat er gesagt?“, fragt der ehemalige Autoverkäufer.
„Nichts geht mehr.“
„Ja, das stimmt. Aber alles ist möglich.“ Er reibt sich die Hände und wischt unsichtbaren Staub von seinem Schlips mit den Glitzersteinchen.
„Kein Wort davon zu den Anderen und zur Presse“, warnt der Kurze. „Die kommen uns sonst wieder mit Moral und so.“
„Moral?“ Derm dauergrinsenden Autoverkäufer friert kurz sein Grinsen ein, „was ist das schon wieder für ein Fremdwort?“
„Vergiss es“, winkt der Kurze ab. „Wir vermehren die Kohle jetzt. Stell dir vor, die Roten wollten das Geld erst investieren, in Gesundheit und Bildung.“ Er schüttelt fassungslos den Kopf.
„In Bildung? Man kann doch auch ohne Bildung was werden. Durch Arschkriechen zum Beispiel. Oder Heirat.“ Der Gebrauchtwagenhändler spricht aus Erfahrung.

Die Kugel rollt.

„23, rouge, impair, passe“, vermeldet der Croupier.
Der Grinsende grinst wieder. „Super. Passt!“
„Du Schwachkopf“, schimpft der Kurze jetzt und schwitzt. „Rouge heißt Rot und wir haben alles auf Schwarz gesetzt. Wir haben alles in den Sand gesetzt.“
„Na und?“, klopft der Lange ihm tröstend auf die Schulter, schaut auf seine Rolex und greift nach dem Champagnerglas. „War ja eh nicht unser Geld. Wir haben uns halt ein bisserl verspekuliert. Bis die draufkommen, sind wir längst mit Julius über alle sieben Meere.“

Montag, 3. November 2008

Haben Sie ein Problem?

Haben Sie ein Problem?
Nein?
Brauchen Sie eins?

Unser schlimmstes Problem ist nämlich angeblich die Zufriedenheit, denn sie erzeugt Langeweile im Leben.
Keine Herausforderungen – kein Glück. So einfach ist das.

Shit. So ein blöder Schweizer war schneller als ich, obwohl ja die Schweizer nicht für ihre Geschwindigkeit, sondern eher für die Präzision und die Löcher bekannt sind.
Auf jeden Fall verkaufen die auf http://www.needaproblem.com Probleme. Für Leute die sonst schon alles haben.
Man kann wählen zwischen trivialen, einfachen, normalen, schwierigen und fast unlösbaren Problemen. So ein Miniproblemtscherl gibt’s schon für einen Schweizer Franken, für ein fast unlösbares Problem muss man 5000,- hinblättern.

Ich vermute, die Probleme, die einem da geschickt werden, sind völlig unpersönlich und anonym. Wahrscheinlich irgendwelche komplizierten Matheaufgaben oder computertechnisches Zeugs. Männliche Probleme halt, welche zum Lösen. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn hat man dieses Problem mal gelöst, steht man vor einem neuen. Nämlich vor dem, dass man kein Problem hat.

Ich hab jetzt meine eigene Problemhandlung eröffnet. Für vorwiegend weibliche Probleme, an denen man lange, wenn nicht ewig nagt. Schließlich singt sogar Annette Louisan: „Geh mir weg mit deiner Lösung, sie wär der Tod für mein Problem!“ Aber auch Männer sind herzlich bei mir willkommen, wenn sie sich richtigen Herausforderungen stellen möchten.

Ich habe in meinem kleinen Problemladen weit mehr Auswahl und Problemvielfalt als diese Schweizer. Und bei mir würden Sie nicht die Sacke im Katz kaufen, Sie können meine – vielleicht bald Ihre? – Probleme anschauen, anfassen und anprobieren. Bei mir gibt es unter anderem Alltagsprobleme der Sorte „Wie-kriege-ich-Job-und-Familie-unter-einen-Hut“, ideal für Arbeitgeber. Bei mir gibt’s aber auch politische und sehr, sehr persönliche Probleme, gelegentlich sogar solche sexueller Natur. Und dann hätten wir da natürlich noch Kardinalprobleme, Schlüssel-, Zeit- und Zukunftsprobleme. Sogar brennende Probleme führen wir.

Meine finanziellen Probleme sind am teuersten, aber es gibt bestimmt ein paar potentielle Kunden, für die sie nicht unlösbar sind. Für mich wären sie jedenfalls gelöst, wenn sie mir jemand abkauft.
Aber keine Sorge, es wäre trotzdem noch genug für alle anderen da. Zellulitis? Ein paar Kilo zu viel? Probleme mit den Zähnen? Durchaus leistbar.
Probleme im Job? In allen Größen vorrätig. Beziehungsprobleme? (Ich weiß, die sind schon ein bisschen verstaubt, ich muss gestehen, die sind ein echter Ladenhüter, offenbar gibt’s die am Markt im Überangebot, das drückt die Nachfrage und den Preis.)
Was hätten wir da noch?
Probleme mit dem Selbstwert. Die fallen in die Gruppe Beinaheunlösbar. Erziehungsprobleme mit Pubertierenden? Ein Longseller für Kinderlose.

Vielleicht fragen Sie mich jetzt: Haben Sie keine anderen Probleme?
Aber ja doch, hab ich. Die Auswahl ist beinahe grenzenlos. Meine Disziplinlosigkeit, meine Sucht, geliebt zu werden, Probleme mit einer Kollegin, der mein Schweinsbraten stinkt, dem Finanzamt, einem Zivildiener, dem Chaos oder Katzen, die aufs Sofa pinkeln.
Ich habe aber nicht nur eigene Probleme im Sortiment, sondern auch die meiner Kinder. Ja, ihre Probleme sind auch meine (Und meine hoffentlich bald Ihre). Wenn Sie also Probleme mit Hausaufgaben, mit Mathematik oder damit, dass Sie endlich einen Freund wollen, brauchen: Bei mir sind Sie an der richtigen Adresse.

Als Sachwalterin werden mir ja täglich unendlich viele Probleme anvertraut.
Hier hängen sie alle, treten Sie ein, schauen Sie sich in Ruhe um, bestimmt ist auch etwas für Sie dabei.
Wollten Sie immer schon mal eine Vorstrafe haben? Hätten Sie gern zu wenig Geld? Möchten Sie Probleme mit Angehörigen, die Sorge haben, dass Sie Ihr Vermögen dem Tierschutzheim oder Opus Dei spenden? Lust auf eine PEG-Sonde? Oder das Problem, im Pflegebett fixiert zu sein, damit Sie nicht nach dem Fallen, sondern im Liegen sterben? (Das zählt auch eher zu den kostspieligen Herausforderungen.)
Sie sehen, es ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

Und das Beste: Es liegt einzig und allein an Ihnen, was Sie mit meinen Problemen machen. Auf die lange Bank schieben? Kritisch beleuchten, in den Raum stellen, erörtern, entwirren. Von mir aus können Sie sie auch bewältigen oder lösen. Ihr Problem, wenn Sie danach keine Probleme mehr haben. In diesem Fall können Sie aber zu einem Stammkundenrabatt gern neue kaufen.

Wir liefern übrigens prompt nach Zahlungseingang. Umtausch ist ausgeschlossen.

Freitag, 18. Januar 2008

Gulag für Teens

Manchmal wirft jemand in unserem Nachbarland – noch vor Beginn der EM - einen Ball in die Höhe. Dann springt hierzulande jemand auf und versucht diesen Ball – gefüllt mit heißer Luft – zu fangen. Und dann liest man in der Zeitung: ÖVP will Erziehungscamps für jugendliche Straftäter.

Erwartet man von solchen Camps, dass daraus junge Menschen mit Rückgrat hervorgehen, die sich friedlich für Menschenrechte und Umweltschutz einsetzen, die anstatt sich ins Koma zu saufen mit ihren Tanten Tee trinken und über Adorno und Fromm diskutieren, oder mit ihren Onkeln Schach spielen und sich in Kontemplationen über das Unendliche in der Mathematik ergehen? Die sich am Abend im Freundeskreis eine Dokumentation auf ARTE anschauen?

Wollen diese konservativen Kreise überhaupt aufgeklärte Menschenrechtsaktivisten und –innen? Oder wünschen sie sich nicht klammheimlich, dass in solchen Lagern Menschen geformt werden, die Zucht, Ordnung und Gehorsam für die wesentliche Werte im Leben halten?

Die Strategie ist schlau (man könnte auch sagen: perfide):
Man tut jahrelang alles dafür, dass die Kriminalitätsrate nicht zu niedrig wird. Sperrt den Jugendgerichtshof zu, schließt Gendarmerieposten, kürzt die Ausgaben für Prävention, kürzt die Mittel für die Bewährungshilfe, spart Sozialarbeiterstellen ein, schafft entgegen dem Rat von Experten „Outdoortherapien“ mit schwierigen Jugendlichen ab, weil man sie für zu teuer und hält und meint, dass so etwas nichts bringt.
Und siehe da! Die Kriminalitätsrate unter Jugendlichen steigt. Dann reibt man sich die Hände und schreit nach einer Law and Order-Politik, polemisiert und sammelt mit sibirischen Erziehungscamps Punkte im Wahkampf.
Die gleichen Politiker schreien hier, die gegen Ganztagsschulen sind, in denen man erzieherische Maßnahmen setzen kann. Die gleichen, die Jugendliche aus der Unterschicht noch weiter an den Rand drängen, indem sie zum Beispiel Freizeitangebote in den Schulen kaputtgespart haben.

Junge Menschen brauchen keine Umerziehungslager, sondern Vorbilder. Denn am meisten orientieren sie sich daran, wie Erwachsene sich ihnen gegenüber verhalten. Respekt- und liebevoll, konsequent und verlässlich? Oder autoritär, zynisch, voller Misstrauen und mit totaler Überwachung?

Kinder, deren Vergangenheit ihre Gegenwart und Zukunft kaputtgemacht hat, brauchen Menschen, die auf sie eingehen, nicht solche, die sie verbiegen wollen. Sie dürfen nicht, weil sie einmal Mist gebaut haben, für den Rest ihres Lebens abgestempelt aund ausgegrenzt werden. Sie brauchen geschulte BetreuerInnen, PädagogInnen und ErzieherInnen, geschützte Orte und Zeit. Vor allem brauchen sie Perspektiven und Chancen. Eine Ausbildung, sinnvolle Freizeitbeschäftigungen, Arbeit, Begleitung. Das kostet Geld.
Ein Erziehungslager in Sibirien ist da natürlich billiger.

Werfen Sie den Ball bitte wieder zurück über die Grenze, Herr Missethon. Und werfen Sie bitte ganz, ganz weit. So, dass er nie wieder zurückkommt. So, dass ihm unterwegs die Luft ausgeht.

Freitag, 31. August 2007

Zukunftsmusik

Die Industrie, genauer gesagt die Industriellenvereinigung in Österreich, begrüßt eine Hinaufsetzung des Pensionsalters.
Wo aber sind sie, die Jobs für die Alten?


„Sie haben sich also bei uns als administrative Mitarbeiterin beworben, Frau ...“
„Koppensteiner. Konzstanze Koppensteiner.“
„Wie Sie wissen, sind wir einer der weltweit führenden Managementberatungs- und Outsourcing-Dienstleister. Unser Beratungsbereich im Supply Chain Management braucht Unterstützung im Sekretariat. Haben Sie denn Berufserfahrung?“
„Allerdings. Nach der Lehre zur Bürokauffrau war ich bei einem Hutmacher für die Buchhaltung zuständig. Danach hab ich drei Kinder gekriegt und fünfzehn Jahre beim Konsum im Büro gearbeitet. Anschließend war ich einige Jahre arbeitslos und später hab ich Umschulungen und Computerkurse besucht.“
„Sie sind ...“, Müller blätterte in der Bewerbungsmappe, „... Sie sind 69, wenn ich richtig lese?“
„Sie lesen richtig.“
„Das ist schön, Frau Koppensteiner. Wenn Sie da drüben schauen, unser neuer Dachdecker ist 67. Gut, er stolpert hin und wieder, aber das bekommt er bestimmt noch in den Griff. Wir freuen uns immer über ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und nehmen gerne in Kauf, dass die unserem Unternehmen ein Vielfaches kosten, mehr Urlaubsanspruch und in der Regel längere Krankenstände haben. Aber dafür haben wir Verständnis, wir werden ja schließlich alle einmal alt. Sie müssen wissen, wir schätzen die Weisheit und Lebenserfahrung, die Menschen in diesem Alter mitbringen. Vor allem aber ihre Gelassenheit.“
Konstanze strahlte gelassen. Da hatte sie ja Glück gehabt.
„Sie haben wohl nicht vor, noch mehr Kinder zu bekommen, oder?“
„Um Gottes Willen.“
„Sehen Sie, das ist einer der vielen Vorteile von älteren Arbeitnehmerinnen. Sie gehen nicht in Karenz, leiden nicht unter PMS und Menstruationsbeschwerden und haben keine Betreuungspflichten mehr.“
Konstanze verschwieg ihre pflegebedürftige Mutter und die Enkelkinder. Sie brauchte den Job, der mickrige Unterhalt ihres Exmannes reichte gerade für das Nötigste und bis zur Pension dauerte es noch fünf Jahre.
„Wo liegen denn so Ihre Stärken, Frau Koppensteiner? Warum soll ich Sie den anderen hundertfünzig Bewerbern vorziehen? Schließlich ist auch unter denen knapp die Hälfte weit über Sechzig.“
„Ich schaffe 320 Anschläge in der Minute.“
„Alle Achtung. Ein Terrorist würde Sie beneiden“, witzelte Müller.
„180 Silben in der Minute in Stenographie. Und ich kann Kurrentschrift lesen und schreiben.“
„Das ist wirklich wunderbar. Diese vom Aussterben bedrohten Fertigkeiten benötigen wir in unserem Unternehmen ganz dringend. Haben Sie einen Führerschein, gnädige Frau?“
„Nicht mehr. Ich musste ihn voriges Jahr abgeben, wegen der Augen.“
„Ach, das ist überhaupt kein Problem für uns. Wir stellen Ihnen da gerne unseren Chauffeur zur Verfügung, der Sie täglich abholen und wieder nach Hause bringen wird. Welche Zeit würde Ihnen denn passen?“
Konstanze musste nicht lange überlegen. „Halb neun?“ Da könnte sie ihre Enkelkinder noch zur Schule begleiten.
„Frau Koppensteiner, Sie haben den Job. Ich freue mich, Sie als neue Mitarbeiterin begrüßen zu dürfen.“

Samstag, 4. August 2007

Ich hätte da einen Vorschlag

Sie kennen doch das Pawlow-Experiment. Hunden wurde ihr Futter vorgesetzt und gleichzeitig klingelte ein Glöckchen. Nach einiger Zeit begannen die Hunde, Verdauungssekrete auch dann zu produzieren, wenn sie nur den Glockenton hörten. Ganz ohne Futter. Man nennt das die klassische Konditionierung. Die Reaktion des Tieres gehört zu den Reflexen und selbst die Intelligenz eines Haushundes oder –schweines ist dafür ausreichend.
Schon seit geraumer Zeit kann man dieses Phänomen in einer sehr ausgeprägten Form bei der ÖVP beobachten. Ein Vertreter oder eine Vertreterin der SPÖ öffnet den Mund. Bevor der Vorschlag die Ohren oder gar das Gehirn des Koalitionspartners erreicht hat, ja, noch bevor er überhaupt ausgesprochen ist, beginnt der ÖVP-Funktionär zu sabbern und schreit: „NEIN!“ Inhalte oder Themen dieser Vorschläge sind für diesen Reflex völlig irrelevant.
(Gut informierte Quellen haben berichtet, dass der ÖVP Generalsekretär kürzlich „NEIN!“ gebrüllt hat, als ein roter Abgeordneter gegähnt hat.)

Kein Wunder, dass dieses vertraute „Nein!“ auch zum Vorschlag Papamonat kam.
Obwohl – ein bisschen gewundert habe ich mich trotzdem, warum die selbst ernannte Familienpartei offenbar ein Problem damit hat, dass frischgebackene Väter wenigstens dreißig Tage lang ihre Frauen in dieser Umbruchsphase unterstützen und ihre Nachkommen kennen lernen. Haben sie Angst, die Männer könnten eine Ahnung davon bekommen, dass Verantwortung nicht ausschließlich bedeutet, die Kohle nach Hause zu bringen? Oder Angst, die Kerle könnten Geschmack an der Mischung aus duftender Babyhaut, stinkenden Windeln, dem Gefühl von Geborgenheit und Verantwortung finden und ihre Aufmerksamkeit auch in den nächsten 18 Jahren nicht nur in Aktien investieren?
Wie so oft weiß ich nicht, was in diesen Köpfen vorgeht. Wahrscheinlich mache ich mir diese Gedanken aber völlig unnötig, weil ebendort eine große Leere gähnt.
Wenn es Männer gibt, die das unbedingt wollen, können die ja ihren Urlaub dafür verwenden, hat kürzlich jemand zu mir gesagt.
Aufwachen! Der Urlaub hat – so will es das Gesetz – der Erholung zu dienen. Ein Neugeborenes und eine Mutter, die keine Nacht durchschlafen, sind der Erholung jedoch nicht wirklich förderlich. Es ist ja nicht mit ein bisschen Abwaschen und zu Hause herumhängen getan. Aber das kann jemand, der seine Familie nur lächelnd vom hübsch gerahmten Schreibtischfoto kennt, natürlich nicht wissen.

Die Männer, die einen Monat Vollzeitvatersein so vehement ablehnen, werden im Alter das Baby der Dritt- oder Viertfrau schaukeln und vor laufender Kamera vom Glück der späten Vaterschaft und der innigen Vater-Kind-Beziehung und der Wichtigkeit der gemeinsam verbrachten Zeit schwadronieren.

Ich hätte da einen Vorschlag: Wie wäre es, wenn...
„Nein! – Wau!“

Dienstag, 24. April 2007

Summer of Seventy-two

Ich war zehn. Gerlinde war auch zehn. Es war ein heißer Augusttag und wir saßen auf einem Baum im Park, wie so oft.
„Ich kann nicht mehr deine Freundin sein“, hat Gerlinde gesagt und mir hat es mein junges, unschuldiges Herz zerrissen. Erst ein paar Tage zuvor hatten wir Pläne geschmiedet. Eine Riesenrutsche wollten wir bauen, vom Hochhaus zur Schule, direkt durchs Fenster rein in die Klasse, wir hatten uns nur noch nicht einigen können, von welchem Stock aus wir starten würden. Ich wohnte im zehnten, in der Hausmeisterwohnung, sie im siebenten.
„Warum können wir keine Freundinnen mehr sein?“, hab ich gefragt und daran gedacht, dass wir ja so gerne einmal mit einem Flugzeug fliegen wollten. Auf einer besonders weichen Wolke würden wir aussteigen und ein Schaumbad nehmen, und von der Nachbarwolke würden wir naschen. Eine andere Freundin hatte uns nämlich erzählt, es gäbe Schaumbadwolken und Zuckerwattewolken. Daraus sollte nun nichts werden?
„Du gehst ja ab nächste Woche ins Gymnasium“, hat sie gesagt und vom Apfel abgebissen, „da können wir keine Freundinnen mehr sein, weil du was Besseres bist.“
Ich schämte mich. Verdammt, ich wollte nichts Besseres sein. Ich konnte doch nichts dafür, dass ich Klassenbeste war und die Lehrerin meinen Eltern empfohlen hat, das Gymnasium zu besuchen. Ich wollte im Apfelbaum sitzen und Waterloo und Robinson hören und nicht dieses Waterloo erleben. Luftschlösser und Luftrutschen wollte ich bauen und auf der Luftrutsche in die Schule düsen und nicht mit dem Bus ins Gymnasium. „Wenn ich das gewusst hätte“, hab ich geflüstert, „dann hätte ich den letzten Aufsatz verhaut.“
Es half alles nichts mehr. Gerlinde kletterte vom Baum, sagte „Tschüs, mach’s gut“ und das war es. Das Ende unserer Freundschaft, obwohl wir im selben Haus wohnten.

Fünfunddreißig Jahre ist das jetzt her, aber noch immer gibt es mir einen Stich, wenn ich an die Apfelbaumszene denke.
Und im Moment denke ich wieder sehr heftig daran. Denn endlich – für mich vierzig Jahre zu spät – wird über die Gesamtschule aller sechs- bis vierzehnjährigen diskutiert. Und die konservative Elite und die, die sich dafür halten schreit auf! Es kann doch nicht sein, sagen sie, dass unsere hochbegabten, gutsituierten Kinder mit der Unterschichtsbrut die Schulbank drücken. Das ist Nivellierung nach unten, brüllen sie. Schließlich darf den Privilegierten nicht das Privileg abhanden kommen, bessere Bildungschancen zu haben als die weniger Privilegierten, die Armen und die MigrantInnen. Wo kommen wir denn da hin? Es kann doch nicht sein, dass jeder so gefordert und gefördert wird, wie es für ihn gut ist, unabhängig von Einkommen und Herkunft?
(Nivellierung nach unten haben übrigens auch die Eltern der Integrationsklasse unseres Sohnes befürchtet, als diese erstmals eingeführt wurde. Vier Jahre später hat keiner mehr etwas gesagt. Weil auch die nicht ganz so klugen Eltern gemerkt haben, dass das Leistungsniveau ein hohes war, und dass die Kinder neben Wissen auch Toleranz und sozialen Umgang mit behinderten Kindern gelernt haben. Weil sie bemerkt haben, dass das Wissen der Kinder gefestigt wurde, indem sie es an schwächere Schüler weitergegeben und diesen geholfen haben.)

Ja, ich weiß, unser jetziges System ist ursuper, und Pisa nur eine Stadt mit einem schiefen Turm, der nichts mit unserem Bildungssystem zu tun hat. Selbstverständlich hat auch die Tatsache, dass es in den Ländern, die in der Pisa-Studie vorne liegen, wie zum Beispiel Finnland, Gesamtschulen gibt, überhaupt keinen Einfluss auf das Abschneiden der Schüler.

Was hilft mir das alles?
Ich habe mich nie getraut, während eines Fluges auf den Wattewolken aus dem Flugzeug auszusteigen. Auch die Super-Rutsche habe ich nie gebaut. Nicht ohne Gerlinde.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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